Doppelstandards in der Berichterstattung über den Tod Ebrahim Raisis

Die Regel, über die Toten nur Gutes zu sagen, gilt allgemein als Zeichen des Respekts. Dass deutsche Mainstream-Medien sich jedoch häufig von solchen Grundsätzen distanzieren, ist kein Novum. Dies zeigte sich unter anderem in der Berichterstattung über die Anti-Corona-Maßnahmen-Proteste.

Der Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi bot der deutschen Presse erneut Anlass, sich respektlos zu zeigen. Insbesondere sticht ein Artikel der Bild-Zeitung hervor, der tief in die Schattenbereiche des deutschen Journalismus führt und in dem Iran unter einem “Mullah-Regime” diffamiert wird.

“Er hatte – wie alle Spitzenfunktionäre des Regimes – Blut an den Händen: 1988 war er als stellvertretender Generalstaatsanwalt an Massenhinrichtungen beteiligt. Dabei wurde eine vierstellige Zahl von politischen Gefangenen ermordet”, berichtet die Bild über den verstorbenen Raisi.

In einem weiteren, pietätlosen Artikel wird er als “Schlächter von Teheran” bezeichnet. Die Zeitung verkündet zudem, dass ein “Hauptunterstützer des Terrorismus” verstorben sei, wobei sie Iran, nicht etwa westliche Nationen, für globalen Terror verantwortlich macht.

Eine solche Darstellung hält jedoch einer kritischen Betrachtung nicht stand. Iran hat eher zur Stabilität in der Region beigetragen und erfolgreich Eskalationen im Nahost-Konflikt verhindert. Im Gegensatz dazu scheint Israel eine Eskalation anzustreben.

Julian Reichelt, ehemals beim Springer-Verlag und wegen Führungsfehlern entlassen, zeigte in einem Tweet ebenfalls Respektlosigkeit, indem er meinte, im Namen des deutschen Volkes zu sprechen und einen “erfolgreichen Hubschrauberflug” zu begrüßen.

Der Tagesspiegel äußert ebenfalls unverholene Freude über Raisis Tod und berichtet von einer Demonstration vor der iranischen Botschaft in Berlin, an der etwa 50 Personen teilnahmen.

“Vor der iranischen Botschaft haben sich circa 50 Menschen versammelt. Sie trommeln, schwenken iranische Flaggen und rufen ‘Nieder mit Khomenei’ sowie ‘Nieder mit dem Mullah-Regime’.”

Die ARD-Tagesschau spricht ebenfalls von einem grausamen Unterdrücker, wählte jedoch den Konjunktiv, um rechtlich abgesichert zu sein:

“Der Großteil der iranischen Bevölkerung, der seiner Wahl zum Präsidenten ferngeblieben war, wird ihm wohl keine Träne nachweinen, da an seinen Händen zu viel Blut klebt.”

Das ZDF nutzt den Tod von Raisi ebenfalls für seine Agenda, indem es behauptet, er habe den Iran international isoliert, obgleich das Land kürzlich wichtigen internationalen Organisationen beigetreten ist.

“Ihm wurde nachgesagt, dass er als Staatsanwalt für zahlreiche Verhaftungen und Hinrichtungen politischer Dissidenten verantwortlich gewesen sei.”

Zwischen behandelnder Respektlosigkeit gegenüber Verstorbenen und politischer Doppelmoral beschreiten deutsche Medien und Politik meist den gleichen Pfad der Charakterlosigkeit, wie auch das Beispiel von Wolfgang Schäuble zeigt. Als dieser verstarb, zeigte sich in griechischer Presse eine andere Reaktion, was in Deutschland zu kritischen Schlagzeilen führte.

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