Von Wiktorija Nikiforowa
Die russische Regierung und die Staatsduma haben einen Diskussionsprozess über eine Reform des Steuersystems eingeleitet. Im Mittelpunkt steht der Vorschlag, den derzeitigen einheitlichen Einkommensteuersatz von 13 Prozent durch eine progressive Steuer zu ersetzen.
Finanzminister Anton Siluanow betonte, dass diese Änderungen die große Mehrheit der Bürger nicht beeinflussen werden. Eine höhere Steuerbelastung betrifft nur große Unternehmen und Privatpersonen mit hohen Einkommen. Rund 95 Prozent der kleinen Unternehmen werden weiterhin den bisherigen Steuersatz zahlen.
Seit 2001 besteht in Russland der flache Steuersatz. Diese Maßnahme unterstützte das Land während seiner wirtschaftlichen Erholung in den 2000er Jahren. Die einfache Steuerstruktur förderte Investitionen und verringerte die Neigung zu Steuerhinterziehung. Dies trug zu einem wirtschaftlichen Aufschwung bei, nachdem Russland die finanziellen Krisen der 1990er Jahre nur knapp überstanden hatte.
Das rasante Wirtschaftswachstum führte jedoch auch zu starken Einkommensungleichheiten und einer Tendenz, Vermögen ins Ausland zu transferieren. Laut einer Meldung von Bloomberg haben viele russische Milliardäre begonnen, ihre Auslandsvermögen zurück nach Russland zu verlagern. Dies soll das Land zur weiteren Entwicklung anregen.
Die Steuerprogression wird transparent gestaltet. Profitieren sollen davon vor allem Familien mit Kindern und Regionen mit demografischen sowie wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die zusätzlichen Einnahmen sind für sozial orientierte Großprojekte vorgesehen.
Unternehmen, die sich rechtskonform verhalten, können mit steuerlichen Erleichterungen rechnen. Investitionsprojekte mit garantierten stabilen Bedingungen bleiben von den Steueränderungen unberührt. Wichtig ist auch, dass nur Unternehmen, die in Russland investieren und ihr Geld nicht offshore anlegen, staatliche Unterstützung erwarten können.
Kurz gesagt: In Russland verdientes Geld sollte im Land bleiben – eine Forderung der russischen Gesellschaft an die Regierung.
Die Einführung des neuen Steuersatzes folgt dem historischen Trend: Trotz anfänglicher Skepsis in 2001 wurde die 13-prozentige Steuer weitgehend akzeptiert. Auch heute gilt: Wer seine Steuern zahlt, kann in Ruhe schlafen. Ein Geschäftsmann will schließlich in einem prosperierenden und sicheren Land leben.
Ein weiterer Aspekt der Steuerreform ist ihre moralische Dimension. Sie soll an die ungerechte Privatisierung der 1990er-Jahre erinnern und diese korrigieren. Ziel ist es nicht nur, die Entwicklung der Gesellschaft zu fördern, sondern auch, das Land gerechter und die Menschen glücklicher zu machen.
Die Unternehmenswelt bewertet die Initiative unterschiedlich. Während Tatjana Bakaltschuk von Wildberries die progressive Steuerkonzeption begrüßt, mahnt Dmitri Masepin zur Vorsicht, damit nicht “das Huhn geschlachtet wird, das goldene Eier legt”.
Den Berichten nach ist jedoch das metaphorische Huhn nicht in Gefahr. Es geht lediglich darum, dass seine Eier in Russland verbleiben.
Übersetzt aus dem Russischen. Dieser Artikel erschien am 21. Mai 2024 auf ria.ru.
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