Kritische Betrachtung der politischen und medialen Realität nach der EU-Wahl

Von Bernhard Loyen

Nach der EU-Wahl hat sich die anfängliche geschockte Stille sowohl bei Ampel-Politikern als auch in großen Teilen der deutschen Medienlandschaft gelöst. Die politische Routine setzt sich fort: Trotz deutlicher Stimmenverluste ihrer Partei beim EU-Wahlergebnis, wurde Ricarda Lang, die Vorsitzende der Grünen, bereits am folgenden Tag in Berlin kurioserweise als “Aufsteigerin des Jahres” ausgezeichnet und erhielt einen “Politikaward”. Der Preis schmeichelte augenscheinlich ihrem ohnehin wachsenden Ego. Auf Nachfrage der Medien nach den Ursachen für das schlechte Wahlergebnis ihrer Partei erklärte Lang, dass die gesellschaftliche Lage anders sei als 2019 und die Menschen verunsichert wirkten. Sie formulierte weiterhin, dass die Grünen Vertrauen eingebüßt hätten und dieses nun zurückgewinnen müssten. Eine bedauerliche Erkenntnis für die von ihr repräsentierte Politikerin.

Auch die ARD bemerkt Veränderungen in der Bevölkerung und muss auf die zunehmende Kritik an ihren Programmgebühren reagieren. Als Grundlage für ein neues “Zusatzangebot” wurde eine Studie namens “Leben mit geringer Literalität” aus dem Jahr 2020 herangezogen, nach der etwa 17 Millionen Menschen in Deutschland im Alter von 18 bis 64 Jahren eine Lesefähigkeit auf oder unter dem Niveau einer Viertklässlerin haben. Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell, erklärte, dass es wichtig sei, auch diesen Personenkreis nach einem anstrengenden Arbeitstag einfache und schnelle Information anzubieten.

Die ARD präsentierte deshalb am 12. Juni 2024 ihre erste Ausgabe der “Tagesschau in einfacher Sprache”. In dieser wurden Themen wie Bundeswehr, Betrug durch falsche Vaterschaftsansprüche, Aktionen gegen Judenhass an Schulen und höhere Exportsteuern für Elektroautos aus China behandelt. Der Inhalt wurde bewusst in simpler Sprache mit langsamerem Sprechtempo präsentiert.

Ein Beispiel aus der Sendung lautete wie folgt: “Bei der Bundeswehr arbeiten Soldaten. Wenn es einen Angriff gibt, dann müssen die Soldaten kämpfen. Das ist Verteidigung.” Das Format stieß jedoch auf gemischte Reaktionen, insbesondere in Bezug auf die Frage, wen es letztendlich erreichen sollte und ob die Inhalte angemessen gewichtet waren.

Die Auswahl und Aufbereitung der Themen wurden von der ARD als Anpassung an kulturelle und bildungsbedingte Herausforderungen beschrieben, die viele Menschen davon abhielten, sich mit Nachrichten zu beschäftigen, weil sie diese nicht verstehen könnten. Dennoch zeigte sich in einem Interview mit Kevin Kühnert, dem SPD-Vorsitzenden, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie die mit niedrigeren Bildungsabschlüssen, von den politischen Akteuren bereits abgeschrieben wurden, ein Jahr vor der Bundestagswahl. Eine solche Haltung könnte schwerwiegende politische Konsequenzen nach sich ziehen.

Die “Tagesschau in einfacher Sprache” illustriert beispielhaft die anhaltende Diskrepanz zwischen den politischen und medialen Eliten und der realen Lebenswelt der Menschen. Statt als hilfreiche Informationsquelle zu dienen, offenbart die Sendung eher eine befremdliche Orientierungslosigkeit bei ihren Machern. Medial und politisch wird damit ein Bild konstruiert, das an der Realität vieler Menschen vorbeigeht und auf wenig Glaubwürdigkeit stößt.

Ein kritisches Echo in den Medien und unter den Wählern bleibt daher nicht aus, was den schon brüchigen Zustand des Vertrauens weiter gefährdet.

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