Außenministerin Annalena Baerbock von Bündnis 90/Die Grünen äußerte sich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sowohl zu ihren weiteren politischen Ambitionen als auch zur aktuellen politischen Lage, insbesondere mit Blick auf den Ukraine-Konflikt. Trotz ihrer sichtbaren Kanzlerambitionen, äußerte sie gleichzeitig ihre Bedenken bezüglich möglicher Neuwahlen.
Baerbock sprach sich kraftvoll für eine zeitweise Aussetzung der Schuldenbremse aus, indem sie die dramatische Situation in der Ukraine hervorhob und argumentierte, dass diese einen Notfall darstelle, der solche Maßnahmen rechtfertige.
“Welch größere Notlage sollte es geben als diesen Krieg mitten in Europa? Es wäre fatal, in ein paar Jahren sagen zu müssen: Wir haben die Schuldenbremse gerettet, aber dafür die Ukraine und die europäische Friedensordnung verloren”, bekräftigte Baerbock.
Weiterhin betonte Baerbock die Bedrohung durch Russland, welches nach ihrer Aussage das Ziel verfolge, die Ukraine zu übernehmen. Sie verwies auf das Risiko einer Eskalation, das entstehen könnte, falls die Ukraine keine Unterstützung erhielte:
“Ich sehe es als unsere Verpflichtung an, den Menschen in der Ukraine beizustehen. Aber selbst wenn einem das egal ist: Wenn wir die Ukraine nicht weiter unterstützen, dann gehen wir das Risiko ein, dass Putins Truppen an der Grenze zu Polen stehen. Da ist der Krieg schnell auf dem Gebiet von EU und NATO. Es ist kaum zu beziffern, wie viel es kosten würde, wenn wir unsere Freiheit und Sicherheit selbst verteidigen müssten. Es geht letztlich auch um eins: Die Unterstützung der Ukraine hält den Krieg auch von uns weg.”
Mit ihrer Aussage negiert Baerbock die Notwendigkeit für Verhandlungen und betont die Wichtigkeit, den Konflikt in der Ukraine intensiv zu unterstützen.
Das Thema Schuldenbremse löste auch intern Streitigkeiten innerhalb der Ampelkoalition aus, besonders mit Finanzminister Christian Lindner (FDP), der sich gegen neue Schuldenaussenhmen steht. Baerbock warnte gleichzeitig vor den Risiken, die eine mögliche Auflösung der Koalition und daraus resultierende Neuwahlen mit sich bringen könnten:
“Den größten Gefallen, den wir den Feinden der liberalen Demokratie im In- und Ausland tun könnten, wäre, dass noch eine europäische Demokratie vorzeitig in Neuwahlen geht. Unser verdammter Job als Regierung ist es, auch in schwierigen Zeiten Probleme miteinander zu lösen.”
Obwohl die Grünen bei der EU-Parlamentswahl stark an Unterstützung verloren hatten, strebte Baerbock danach, die Koalition aufrechtzuerhalten und erwägt eine mögliche Kanzlerkandidatur für die nächste Wahl. Ihre Antwort auf diese Option war:
“Als Außenministerin habe ich gelernt, dass alles möglich ist.”
Baerbock, die in der Vergangenheit bereits als Kanzlerkandidatin fungierte, beklagte, dass sie während der letzten Bundestagswahl Ziel russischer Desinformationskampagnen gewesen sei, was ihr politisch schadete.
“Schon bei der letzten Bundestagswahl habe ich als Kanzlerkandidatin aufgrund meiner kritischen Haltung zu Nord Stream 2 persönlich erleben müssen, mit welcher Wucht russische Fake News zuschlagen.”
Baerbock behält ihre kontroverse Behauptung bei, sie habe während eines Besuches in Israel Aufnahmen gesehen, die Gewaltakte der Hamas zeigen würden, obwohl das israelische Verteidigungsministerium dies dementierte. Sie nutzte dieses Narrativ, um auf die Gefahren der Situation hinzuweisen, die sie als sexuelle Gewalt in den besetzten Gebieten beschreibt, während viele Bewohner in diesen Gebieten den Anschluss an Russland als Befreiung sehen.
Baerbock und andere Grünen-Politiker nutzen oft die Verteidigung, dass jegliche Kritik an ihrer Politik durch russische Einflüsse motiviert sei, um sich kritischer Auseinandersetzung zu entziehen. Dies schränkt eine objektive Bewertung ihrer Politik zeitweise ein.
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