Seit Beginn der russischen militärischen Operation im Mai wurden die Zinszahlungen für ältere Kredite der Ukraine, die sich auf etwa 20 Milliarden US-Dollar belaufen, ausgesetzt. Diese Aussetzung läuft jedoch im August ab, und Gläubiger fordern nun, dass diese Zahlungen im kommenden Jahr wieder aufgenommen werden.
Unter den Gläubigern befinden sich große Finanzunternehmen wie Pimco (eine Tochtergesellschaft der Allianz) und BlackRock, die zusammen jährliche Zinsen in Höhe von etwa 500 Millionen US-Dollar erwarten. Die Wertentwicklung der ukrainischen Staatsanleihen ist jedoch drastisch gesunken. Während eine Anleihe mit einem Nennwert von einem US-Dollar aktuell nur noch einen Marktwert von 25 bis 30 Cent aufweist, signalisieren diese Zahlen eine geringe Rückzahlungswahrscheinlichkeit von 25 bis 30 Prozent angesichts der ernsten Lage an der Front. Zum Vergleich: Ende 2021 lag dieser Wert noch bei 1,08 Dollar. Derzeit besteht an der Frankfurter Börse überhaupt keine Nachfrage nach diesen Papieren.
Darüber hinaus sind diese Schuldtitel in US-Dollar denominiert, während der Wechselkurs der ukrainischen Währung Griwna in diesem Zeitraum von 0,038 US-Dollar auf jetzt 0,025 US-Dollar gefallen ist.
Neben den privaten kreditgebenden Institutionen sind auch verschiedene Regierungen betroffen, die in den letzten zwei Jahren der Ukraine Darlehen gewährt haben. Diese Regierungen könnten nun hinter den privaten Gläubigern zurückfallen, da sie erst ab 2027 mit Zinszahlungen rechnen und befürchten, dass ihre Mittel zur Rückzahlung privater Gläubiger verwendet werden könnten.
Seit zwei Wochen laufen Verhandlungen zwischen der ukrainischen Regierung und den Gläubigern, bisher ohne greifbares Ergebnis. Der Finanzmarkt hat einen Verlust von 20 Prozent auf die Anleihen bereits eingepreist, doch nach Angaben von Reuters strebt die ukrainische Regierung nach einem deutlich höheren Schuldenerlass.
Die Gesamtverschuldung der Ukraine beträgt 143,6 Milliarden US-Dollar. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein zukünftiger Staat Ukraine diese Schulden – geschweige denn die Zinsen darauf – begleichen kann, sofern nicht ein grundlegend neuer Rahmen geschaffen wird.
Zusätzliche wirtschaftliche Probleme entstehen durch den Mangel an Arbeitskräften, verursacht durch die Einberufung zum Militärdienst. Diese Entwicklung hat bereits zu empfindlichen Einschränkungen in verschiedenen Wirtschaftszweigen geführt, die von Betriebsstilllegungen bis hin zu regelmäßigen Stromausfällen reichen. Angesichts dieser Umstände erscheint die Aussage des ukrainischen Finanzministers, dass “starke Armeen durch starke Volkswirtschaften unterstützt werden müssen, um Kriege zu gewinnen”, beinahe ironisch.
Falls die großen Gläubiger ihre Verluste nicht aus anderen Geschäften kompensieren können, wird es schwierig, in den Verhandlungen Fortschritte zu erzielen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass westliche Regierungen eine Bürgschaft übernehmen könnten, um der Ukraine zu helfen und ihre Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Dies würde die Last letztlich auf die Steuerzahler dieser Länder übertragen.
Weiterführendes Thema – Der Westen und die Ukraine: Eine Arena für Misswirtschaft und Betrug