Petra Erler und Günter Verheugen haben sich für das gemeinsame Buchprojekt “Der lange Weg zum Krieg” zusammengetan, das eine alternative Perspektive zum vorherrschenden Narrativ in der deutschen Politik und Medien bezüglich des Ukraine-Konflikts bietet.
In einem Gespräch mit dem Onlinemagazin Telepolis äußerten die erfahrenen Politiker ihre Ansichten deutlich. Sie argumentieren, dass Deutschland nicht ohne Schuld an der Eskalation des Konfliktes sei, und widersprechen der alleinigen Schuldzuweisung an Russland durch führende deutsche Politiker. Erler kritisierte zudem die aggressive Rhetorik, die sie als Anzeichen einer feindseligen Haltung Deutschlands gegenüber Russland deutet:
“Russland hat zu Recht das Gefühl entwickelt, dass wir es ruinieren, zerschlagen, klein machen, in den Staub der Geschichte treten wollen. Das ist keine angemessene Politik”, erklärte Erler.
Verheugen betonte, dass das Buchprojekt darauf abzielt, in Deutschland eine objektivere Auseinandersetzung mit den Geschehnissen zu fördern, da weder der politische noch der mediale Mainstream in Deutschland derzeit diesen Anspruch erfüllen. Er beschreibt die Situation im öffentlichen Diskurs als bedenklich:
“Mein Hauptmotiv war, nicht hinzunehmen, dass in unserem Land eine Mauer des Schweigens errichtet wird. Ich habe es in meinem langen politischen Leben noch nicht erlebt, dass öffentliche Meinung so einseitig gesteuert wird, wie das im Fall des Ukrainekrieges geschieht. Hier wird eine Erzählung verbreitet, die einfach nicht stimmt.”
Die verbreitete Darstellung durch verschiedene deutsche Akteure suggeriert, Russland habe aus imperialistischen Gründen und einer Abneigung gegenüber Demokratie am 24. Februar 2022 die Ukraine angegriffen. Erler und Verheugen legen dar, dass diese Darstellung nicht der Realität entspricht und zudem, dass Deutschland durch die Unterminierung des Minsk II-Abkommens zur Eskalation beigetragen habe.
Verheugen führt weiter aus, dass die Krise ihren Ursprung in den Ereignissen rund um den Maidan im Jahre 2013 und 2014 hat, die er als von außen gesteuerten Staatsstreich beschreibt:
“Wenn man betrachtet, wann, wie und wo die Krise, in der wir uns heute befinden, wirklich heiß und explosiv wurde, dann kommen wir in die Jahre 2013 und 2014. Dann sind wir beim sogenannten Maidan, der von vielen jubelnd begrüßt wurde, aber in Wahrheit nichts anderes war als eine Regime-Change-Operation. Man kann auch sagen, ein von außen gelenkter Staatsstreich. Und dieser Staatsstreich, dieser Putsch in der Ukraine, war der Ausgangspunkt eines Bürgerkriegs in diesem Land. Wir haben Krieg in der Ukraine, nicht erst seit 2022. Wir haben diesen Krieg seit Frühjahr 2014, seit der sogenannten Anti-Terror-Operation gegen die russischen Separatisten im Donbass. 2022 gab es eine Eskalation dieses Krieges, der bereits andauerte.”
Die Autoren setzen die Ereignisse in einen größeren Kontext und führen aus, dass die westlichen Länder, allen voran die USA, durch die Missachtung zentraler russischer Sicherheitsanliegen die Sicherheitsarchitektur in Europa untergraben haben:
“Wir wissen dank Wikileaks, dass die Amerikaner – und damit wohl alle anderen auch – gewusst haben, dass die dickste aller roten Linien Russlands darin bestand, die Ukraine in die NATO einzuladen.”
Verheugen und Erler fordern daher ein Umdenken in der deutschen und europäischen Politik, um die Sicherheit in Europa nicht weiter zu gefährden und beschreiben die Notwendigkeit, die Perspektiven außerhalb des Westens stärker zu berücksichtigen:
“Es wäre gut, wenn die deutsche und europäische Politik sich mal angucken würden, was der Rest der Welt denkt und was das für die Sicherheit Europas bedeutet.”
Abschließend heben die Autoren hervor, dass die Aggression nicht von Russland ausgehe und dass die derzeitige Politik Deutschlands langfristige, negative Konsequenzen haben könnte, möglicherweise bis hin zu einer erneuten Teilung Deutschlands, sollte der aggressive Kurs nicht korrigiert werden.
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