Die Polizei in Nordrhein-Westfalen darf weiterhin keine Deutschlandfahnen an ihren Dienstfahrzeugen während der Fußball-EM befestigen, wie Die Welt berichtete. Ein entsprechender Erlass des Innenministeriums hebt hervor, dass das Anbringen von Fahnen oder ähnlichen Symbolen “eine besondere Verantwortung” für die Polizei darstellt und daher unterlassen werden soll.
Im Gegensatz dazu hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu Beginn der EM das Verbot für die Bundespolizei aufgehoben. “An Dienstfahrzeugen der Bundespolizei dürfen während des Turniers Deutschlandfahnen angebracht werden,” erklärte Faeser in einem Interview. Sie versicherte, dass die Beamten ihre Aufgaben weiterhin “unbefangen, neutral und hochprofessionell” erfüllen werden und betonte: “Und unsere Beamtinnen und Beamten stehen hinter unserem deutschen Team.”
Da Faeser nur für die Bundespolizei zuständig ist, die hauptsächlich an Bahnhöfen und Flughäfen eingesetzt wird, liegt es an den einzelnen Bundesländern, die Regelungen für ihre Polizeistreifen selbst zu gestalten. Von den 281.500 in den Ländern beschäftigten Polizisten unterscheiden sich die Regelungen zum Wimpelverbot: Laut Tagesspiegel halten die meisten Länder am Verbot fest, nur Sachsen hat keine spezifischen Vorgaben. Trotzdem gibt es laut Kritik des Blattes ein “Schwarz-Rot-Gold-Wirrwarr”, da das Verbot je nach Bundesland verschieden gehandhabt wird.
In Nordrhein-Westfalen bleibt man strikt bei der bestehenden Regelung. “Ein professionelles polizeiliches Handeln trägt zur Präsentation Deutschlands als gastfreundliches und weltoffenes Land bei, wobei Neutralität und Objektivität eine wichtige Rolle spielen,” so das dortige Innenministerium.
Bereits bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hatte die Polizei diese Praxis eingeführt, begründet mit dem Gebot der Neutralität. “Polizeibeamte im Dienst sind auch während der WM nicht in ihrer Eigenschaft als deutsche Fußballfans unterwegs”, erklärte der damalige Polizeipräsident Dieter Glietsch.
Berufsintern und juristisch umstritten
Vor der EM 2024 stieß das Verbot insbesondere bei Berufsverbänden auf Kritik. Bodo Pfalzgraf, Berliner Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), fand scharfe Worte: “Unseren Einsatzkräften de facto bei Verwendung der Nationalflagge Parteilichkeit zu unterstellen, ist weit hergeholt.” Auch sein Kollege von der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Stephan Weh, bezeichnete das Verbot als absurd und typisch für deutsche Diskussionen.
Der Jurist Dr. Florian Albrecht argumentiert in einem Fachartikel, dass die Bundesflagge, als Symbol der Bundesrepublik und ihrer Grundwerte, auch während der EM getragen werden könnte, ohne dass dies dem Neutralitätsgebot widerspricht. Die staatliche Neutralität sollte laut Albrecht nicht nach der Wahrnehmung “aggressiver und möglicherweise alkoholisierter Fußballfans”, sondern aus der Perspektive eines “vernünftigen Betrachters” beurteilt werden.
Die Taz begrüßt das Verbot unterdessen, da die deutsche Fahne durch Parteien wie die AfD politisch aufgeladen wurde und somit kein Zweifel an der Neutralität der Polizei aufkommen dürfe.
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