Die bloße Reduktion von CO₂-Emissionen gilt nicht mehr als ausreichend im Kampf gegen den Klimawandel. Es wird zusätzlich gefordert, technologische Lösungen einzusetzen, um aktiv Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Ein Bericht des Handelsblatts vom Mittwoch unterstreicht, dass in der wissenschaftlichen Gemeinschaft Einigkeit darüber besteht, dass Einsparungen allein nicht genügen, um die globale Erwärmung bis 2050 um 1,5 Grad zu senken. Die Mehrheit der Experten plädiert dafür, zusätzlich und gezielt CO₂ aus der Atmosphäre zu extrahieren, so die Zeitung.
Eine aktuelle Studie vom Juni 2024 deutet darauf hin, dass der Entzug von Kohlendioxid nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch wirtschaftlich lukrativ sein könnte. Die Entwicklung der erforderlichen Technologien und Infrastrukturen erfordert erhebliche Investitionen. Diese noch unveröffentlichte Studie der Boston Consulting Group (BCG), die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, schätzt das globale wirtschaftliche Potential der Kohlendioxid-Entfernung bis 2050 auf nahezu eine Billion Euro jährlich, was dem Umsatz der globalen Luftfahrtindustrie entspricht.
In Fachkreisen wird dieses Verfahren als Carbon Dioxide Removal (CDR) bezeichnet. Bisher spielte es in der klimapolitischen Debatte nur eine untergeordnete Rolle, doch das könnte sich nun ändern, da es hohe Profitmargen verspricht. Das Wirtschaftsmagazin kommentierte:
“Carbon Dioxide Removal (CDR)… hat somit das Potential, ein relevanter wirtschaftlicher Faktor zu werden.”
Oliver Geden, Leiter des Forschungsclusters Klimapolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und einer der führenden Experten für CDR, erklärte dem Handelsblatt, welche Mengen an CO₂ jährlich absorbieren werden müssten:
“Geden rechnet unter Verweis auf globale Klimaschutzszenarien vor, dass zur Mitte des Jahrhunderts global jährlich sieben bis neun Milliarden Tonnen CO₂ der Atmosphäre entzogen und gespeichert werden müssen.”
Johanna Pütz, eine Hauptautorin der BCG-Studie, wies darauf hin, dass ohne den Aufbau einer wirkungsvollen CO₂-Abscheidung die angestrebten Klimaziele nicht zu halten seien. Insbesondere für Deutschland könnte sich dies laut Handelsblatt ökonomisch auszahlen:
“Nach Einschätzung von BCG könnten DACCS, BECCS und andere technologisch anspruchsvolle Verfahren zur CO₂-Entnahme zu einer Domäne der deutschen Industrie werden.”
Die Studienautoren empfehlen daher, CDR in die Klimapolitik zu integrieren und den Zertifikatehandel auszubauen. Unternehmen, die über die gesetzlichen Anforderungen hinaus CO₂ sparen, erhalten derzeit Zertifikate, die sie an Firmen verkaufen können, die zu viel CO₂ ausstoßen. Elon Musk hat laut einem Bericht von Businessinsider durch den Handel mit solchen Zertifikaten für Tesla bereits etwa 9 Milliarden Dollar erwirtschaftet bis zum Frühjahr 2024. Das Geschäftsmodell könnte zukünftig erweitert werden, um Firmen einzubeziehen, die CO₂ aus der Atmosphäre entfernen.
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