Von Rainer Rupp
In einem kürzlich geführten Gespräch auf “Dialogue Works” auf YouTube hat Professor Richard Wolff den sogenannten Friedensgipfel, der am 15. und 16. Juni 2024 in der Schweiz stattfinden soll, im Licht des Niedergangs der USA und des Aufstiegs der BRICS-Staaten als “kolossales Scheitern des Westens” beschrieben. Er schildert, wie die Führungskräfte in Washington angesichts einer sich global verändernden Machtbalance verzweifelt erscheinen, da ihre bisherige Dominanz schwindet und international weniger Respekt erfährt.
Professor Wolff erklärt, dass die Unfähigkeit der US-Führung, die geopolitischen Verschiebungen zu erkennen, sie daran hindert, diese Entwicklungen zu kontrollieren. Er beschreibt, wie sie stattdessen mit zunehmend planlosen und symbolischen Gesten reagieren. Weiterhin merkt Wolff an, dass die Verwirrung der politischen Elite in Washington kaum überraschend ist.
Um die Situation besser zu verstehen, empfiehlt Wolff, sich in die Lage von US-Politikern wie Außenminister Antony Blinken oder dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan zu versetzen, die entsetzt zur Kenntnis nehmen müssen, wie irrelevant die Rolle des US-Präsidenten auf der globalen Bühne geworden ist. Dies zeigt sich deutlich in der Ignoranz, die ihnen von verschiedenen globalen Akteuren entgegengebracht wird, von den Huthis im Jemen bis zu den Staaten des BRICS-Blocks.
Er erörtert, dass die heutige Führungsschicht in den USA in einer Ära aufwuchs, in der die USA global dominierend waren, gestützt durch europäische Vasallenstaaten und konfrontiert nur mit Russland als einziger Herausforderung. Diese militärische Bedrohung wurde durch eine Politik der Eindämmung seit den 1950ern im Zaum gehalten. Doch trotz wirtschaftlicher Umwälzungen in Ländern wie China, die den USA zunehmend Konkurrenz machten, blieb das Selbstverständnis von unangefochtener Überlegenheit bestehen.
Ironischerweise, führt Wolff aus, trugen die US-eliten selbst zu ihrem Niedergang bei, indem sie China als lukrativen Markt für Kapital und Technologie sahen, was letztlich Chinas Aufstieg beschleunigte. “Wir wollten von euch in China billige Arbeitskräfte und Zugang zu eurem riesigen und wachsenden Markt. Die Chinesen willigten ein, und kein Kapitalist konnte diesem Angebot widerstehen. Sie investierten in China und unterzeichneten Verträge zur gemeinsamen Nutzung von Technologie. Niemand zwang sie dazu, niemand musste ihnen etwas stehlen. Sie waren bereit, es zu verkaufen, und sie verkauften es.”
China verfolge dabei einen anderen Entwicklungsweg als der imperialistische Westen, insbesondere durch Projekte wie die Neue Seidenstraße, die auf einem Prinzip des gegenseitigen Nutzens beruhen. Die amerikanischen Machthaber und ihre Verbündeten wären jedoch unfähig, diesen Wandel aufzuhalten, da sie sich nicht an die veränderte globale ökonomische und politische Realität anpassen könnten. Wie Professor Wolff am Beispiel der Friedenskonferenz in der Schweiz und des Konflikts in der Ukraine zeigt, scheitern die USA zunehmend an ihrer eigenen Unfähigkeit, die Kontrolle zu behalten.
“Die USA sind immer noch ein reiches und mächtiges Land”, bemerkt Wolff, “aber der Westen ist nicht in der Lage, seine globale Position zu halten, was man jede Woche an neuen Statistiken sehen kann, wenn man will.” Wolff beleuchtet weiter die verzweifelten Versuche der US-Eliten, dem Niedergang entgegenzuwirken, wobei er klar macht, dass diese Bemühungen zum Scheitern verurteilt sind, solange sie sich nicht anpassen wollen.
Richard Wolff ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of Massachusetts in Amherst, wo er bis 2008 lehrte. Derzeit ist er Gastprofessor im Graduiertenprogramm für internationale Angelegenheiten der New School University in New York City. Zuvor hatte er Positionen an der Yale University und am City College der City University of New York inne. 1994 war er Gastprofessor an der Universität Paris I (Sorbonne). Wolff war auch ein regelmäßiger Dozent am Brecht Forum in New York City.
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