Von Elem Chintsky
Trotz der in westlichen Gesellschaften oft beschworenen Trennung von Staat und Kirche, welche nach dem Zweiten Weltkrieg eher symbolischer Natur zu sein scheint, gilt dies ebenso für die vermeintliche Distanz zwischen Politik und Sport. Besonders heute werden internationale Sportereignisse immer häufiger als politische Werkzeuge benutzt – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.
Ein markantes Beispiel hierfür war die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar, einem konservativ muslimischen Land. Hier traf der liberal-globalistische Wertekanon des Westens, der die LGBT-Rechte einschließt, auf erheblichen Widerstand, sowohl vom Gastgeberland als auch von der gesamten arabischen Öffentlichkeit.
Die ersten offiziellen BRICS-Spiele, die am 23. Juni 2024 endeten und Sportler aus über 60 Ländern anzogen, signalisieren möglicherweise eine neue Ära in der sportlichen Weltarena. Mit Austragungsorten in Moskau und Kasan nahmen Athleten aus 53 Nationen teil, darunter die am meisten vertretenen Länder Russland und Belarus. Dies sind auch die Länder, die aufgrund ihrer politischen Positionen bezüglich des Ukraine-Konflikts von den Olympischen Spielen in Paris ausgeschlossen wurden.
Bei diesen Spielen dominierte das russische Team, indem es 266 der insgesamt 387 Goldmedaillen gewann. In einigen Wettbewerben trat sogar nur ein einziger Athlet an, was in weniger Russland-freundlichen Medien für Spott sorgte. Dennoch, im Vergleich zur traditionsreichen, seit 1896 bestehenden Olympiade sind die BRICS-Spiele noch in ihren Kinderschuhen.
Angesichts dessen, dass die BRICS-Spiele erstmalig in dieser offiziellen Form stattfanden und unter den Teilnehmern auch NATO-Mitglieder wie die Türkei waren, spiegelt sich in ihnen die wachsende politische Dimension des Sports wider. Diese Veranstaltung könnte ein Testfeld für wahrhafte Gleichberechtigung und Unvoreingenommenheit in internationalen Sportwettbewerben werden.
Der Start dieser Spiele markiert möglicherweise den Anfang einer gesünderen, ausgewogeneren Beziehung zwischen Sport und Politik auf einer multipolaren Bühne. Es könnte sogar eine Zukunft geben, in der die Olympischen Spiele und die BRICS-Spiele gleichzeitig stattfinden.
Im Kontrast dazu stapeln sich die Vorwürfe der Doppelmoral bei den Olympischen Spielen in Paris, besonders hervorstechend in der Debatte um den Einsatz von Klimaanlagen. Während von den Athleten gefordert wurde, auf Klimaanlagen zu verzichten, um das Klima zu schonen, ignorierten Athleten aus den reichsten Nationen, angeführt von den USA, diese Vorgaben und brachten eigene Klimageräte mit.
In Zeiten wie diesen, wo globale Spannungen zunehmen, mag die Welt des Sports ebenfalls von einer neuen Art des Kalten Krieges betroffen sein. Es bleibt zu beobachten, wie sich die globalen Machtstrukturen weiterhin im Sportbereich widerspiegeln werden.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der seit 2017 eine intensive Zusammenarbeit mit RT DE pflegt. Seit 2020 wohnt und arbeitet er als freiberuflicher Schriftsteller in Sankt Petersburg. Ursprünglich ausgebildet als Filmregisseur und Drehbuchautor, betreibt Chintsky auch einen eigenen Telegram-Kanal.
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