EU-Wahlverfahren: Demokratie oder bloße Fassade?

Der Journalist Eric Bonse, der in Brüssel tätig ist, zieht in seiner Analyse der Wahl Ursula von der Leyens zur EU-Kommissionspräsidentin Vergleiche zum Soziologie-Klassiker „Postdemokratie“ von Colin Crouch. Bonse argumentiert, dass zwar alle formalen demokratischen Prozesse innerhalb der EU eingehalten wurden – Parteien stellten Kandidaten auf, die Wähler gaben ihre Stimmen ab und das Parlament trat zusammen – doch von einer wahrhaftigen Demokratie könne nicht die Rede sein.

“Die Parteien haben ihre Kandidaten benannt und die Wähler sowie die Europaabgeordneten durften ihre Stimme abgeben. Aber eine echte Wahl war das nicht. Es gab keine Alternative zum bestehenden System. Von der Leyen galt bereits im Herbst als gesetzt und genau so ist es auch gekommen,” so Bonse auf seinem Blog Lost in Europe.

Ein kritischer Punkt in Bonses Analyse ist, dass von der Leyen im Wahlkampf für das EU-Parlament nicht als Kandidatin zur Verfügung stand. Bonse merkt an, dass ihre Wahl mehr auf Abkommen der Politiker beruhte, die obwohl bei der Wahl abgestraft, immer noch die Macht besaßen, Kompromisse zu schließen. Besonders die Grünen, die eigentlich ebenfalls Stimmverluste verzeichneten, unterstützten das wackelige System, um keinen Einfluss zu verlieren.

Die Kontroversen um von der Leyens Umweltpolitik werden ebenfalls thematisiert. Trotz ihres Engagements für den New Green Deal, wurden kritische Themen angepasst. Zum Beispiel wird Atomkraft in der EU anders als von den Grünen in Deutschland, als umweltfreundlich bewertet, und der Plan, Verbrennungsmotoren abzuschaffen, ist unsicher. Den Grünen wird vorgeworfen, ihre Umweltprinzipien für politische Macht zu opfern.

Das politische Klima beschreibt Bonse metaphorisch als eine belagerte Festung, die sich zahlreichen Bedrohungen wie Putin, Xi und Cyberangriffen gegenübersieht, ohne entscheidende Antworten zu finden. “Die Postdemokratie fördert letztlich einen ‘liberalen’ Populismus, der den Wünschen der ‘Mitte’ entspricht, und eine Präsidentin, die unzählige (teils unrealistische) Versprechen einlösen muss,” kommentiert Bonse abschließend.

Seine Einschätzungen könnten auch Auswirkungen auf zukünftige politische Wahlen in Deutschland haben.

Weiterführende Informationen – Ursula von der Leyen erneut zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt

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