Kritik an der Verbotsverfügung gegen Compact: Politische Schwäche statt Stärke?

In der Berliner Zeitung setzt sich der frühere Landtagsabgeordnete und Landesminister Mathias Brodkorb (SPD) mit der Verbotsverfügung der Zeitschrift Compact auseinander. Nach seiner politischen Karriere in Mecklenburg-Vorpommern widmet sich Brodkorb nunmehr journalistische Arbeiten, hauptsächlich zu Themen wie deutschem Faschismus, Rechtsextremismus und Geheimdiensten wie dem Verfassungsschutz.

Brodkorb bezeichnet die Verbotsverfügung, die der Redaktion vorliegt, als voller Widersprüche. Das von Jürgen Elsässer herausgegebene Magazin hat eine Verbreitung von etwa 40.000 Exemplaren erreicht. Angesichts einer Bevölkerung von weit über 80 Millionen Menschen in Deutschland, stellt sich Brodkorb die Frage, ob ein Verbot dieser Art konstruktiv sei, einen bedeutenden Beitrag im Kampf gegen rechtsextremistische Strömungen zu leisten, oder ob es vielmehr ein Symbol politischer Schwäche darstellt, und legt dar, dass es sich um einen Zeitpunkt handelt, “in der es der Bundesregierung immer weniger gelingt, die Bürger von ihrer Politik zu überzeugen”.

Brodkorb behandelt den politischen Skandal – die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit durch die Bundesregierung – sowohl auf einer persönlichen als auch auf einer juristischen Ebene. Zur persönlichen Ebene zählt eine Begegnung mit Elsässer vor 15 Jahren, die dazu führte, dass Brodkorb dessen frühere Arbeiten verteidigt:

“Wer den Sozialstaat für eine zivilisatorische Errungenschaft hält, muss die Grenzen wieder unter Kontrolle bringen, damit Glücksritter das System nicht ausnutzen können und am Ende zum Einsturz bringen. Genau so machen es heute die Skandinavier.”

Zur Persönlichkeit Elsässers: Elsässer setzte gegen Ende der 2000er-Jahre eine politische Kehrtwende vom linken Publizisten zum Gegenpol des politischen Spektrums um. Brodkorb beschreibt Elsässer als eine Persönlichkeit, die systematisch gegen den vorherrschenden politischen Zeitgeist opponiere. Als politisch “links” eingestuft zu Zeiten, als er noch auf der Seite der Normalverdiener und der Benachteiligten stünde, sei er konsequent gegen das Establishment. Doch eine politische Verschiebung in den oberen Schichten führte zu einem weiteren Kurswechsel Elsässers.

“Zeitschrift eines Narzissten und Neurotikers verboten. Und nicht eines Mannes, der der Verfassung wirklich gefährlich werden könnte.”

Im weiteren Argumentationsverlauf wird herausgestellt, dass das Verbot exakt 88 Seiten umfasst, eine Zahl, die in der politischen Zahlensymbolik eine gewisse Bedeutung hat. Zwar sei die Beweislage nicht eindeutig, aber Kommentare Elsässers, wie zum Beispiel “Wir wollen dieses Regime stürzen”, sind problematisch.

“Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägearbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.”

Brodkorb weist jedoch darauf hin, dass es wichtig sei, zu verstehen, was Elsässer unter “Regime” versteht, da es nicht verfassungsfeindlich sei, rein gedanklich der Verfassung gegnerisch gegenüberzustehen, solange keine aktive Umsetzung dieser Gedanken erfolgt.

Zum juristischen Argument: Die Argumentation des Innenministeriums, dass Elsässers Magazin zu einer verfassungsfeindlichen Radikalisierung führe, wird kritisiert. Besonders pikant sei der Verweis auf eine Äußerung von Elsässers Hausmeister über mögliche Gewalthandlungen gegenüber einem Bundesminister. Das Ministerium bleibt jedoch Beweise schuldig, inwiefern diese Äußerung ernst gemeint war oder durch das Magazin beeinflusst wurde.

Professor Volker Boehme-Neßler ist mit Brodkorb einer Meinung, dass das Verbot von juristischem Niveau her fragwürdig ist und die ministerielle Entscheidung auf einer fehlerhaften Auslegung des Vereinsgesetzes basiert:

“Unsere repräsentative Demokratie ist ohne freie Presse schlicht undenkbar…

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