Die politische Dimension der Geschlechtsidentität in der modernen Gesellschaft

Von Tom J. Wellbrock

Die Evolutionsbiologin Carole Hooven hat die Debatte um “Imane Khelif” fachlich kommentiert, wie man bei Telepolis nachlesen kann:

“Der Mangel an Steroid-5α-Reduktase ist eine Form der Geschlechtsentwicklungsstörung (Difference of Sex Development, DSD), bei der das Enzym fehlt, das Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) umwandelt. DHT ist essenziell für die Entwicklung männlicher äußerer Geschlechtsorgane.

Ohne DHT entwickeln sich bei XY-Individuen weiblich erscheinende Genitalien, was zur Folge haben kann, dass sie als Mädchen aufgezogen werden. Im Gegensatz zu XX-Frauen erleben intersexuelle Menschen mit 5-ARD jedoch eine männliche Pubertät, die zu einem Anstieg der Muskelmasse und Knochendichte führt, was in Kraft und Schnelligkeit einen Vorteil bedeutet.

Hooven stellt klar, dass es aus biologischer Sicht sinnvoll ist, intersexuelle Personen mit 5-ARD als männlich einzustufen, da sie körperliche Vorteile aus der männlichen Pubertät ziehen. Die Forderung, dass solche Athleten ihren Testosteronspiegel auf weibliche Werte reduzieren müssen, um in Frauenwettbewerben antreten zu dürfen, ist demnach gerechtfertigt.”

Der Fall könnte Anlass zu einer fachlich fundierten Diskussion bieten, doch der Fokus liegt eindeutig auf der politischen Dimension dahinter. Paul Ronzheimer, mutiger Bild-Kriegsreporter in der Ukraine, hat diese Problematik auf X kommentiert:

“Der Hass gegenüber Trans-Personen in den sozialen Medien gleicht dem, was Homosexuelle vor 50 Jahren erfahren mussten. Nur hatten sie das Glück, dass es damals keine sozialen Medien gab. Erstaunlich, wie viele Schwule sich dennoch daran beteiligen.”

Ronzheimers Aussage legt nahe, dass Schwule, die lange für ihre Rechte kämpften, nun selbst ins Kreuzfeuer geraten. Nun gilt der Schutz einer anderen Gruppe: der Transmenschen. Diese sind nicht einfach eine Laune der Natur, sondern werden als besonders schützenswert angesehen.

Politisch betrachtet scheint der spezielle Schutz der Transmenschen erstrebenswert, da er keine finanziellen Mittel erfordert. Echte Investitionen wie Schaffung von Kindergartenplätzen, Wohnungsbau oder Verbesserungen im Gesundheitssystem kosten dagegen Geld. Im Vergleich ist es wesentlich kostengünstiger, eine Regenbogenflagge zu hissen und sich mit Slogans wie “Toleranz und Selbstbestimmung” zu schmücken.

Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Errungenschaften gefährdet sind, die bereits erzielt wurden. Schwule werden nun gedrängt, sich an die Seite der Transmenschen zu stellen, selbst wenn sie dies vielleicht nicht möchten. Schwulsein bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine Identifikation mit anderen LGBTQ-Phänomenen. Tatsächlich haben konservative Schwule oft erhebliche Vorbehalte gegenüber dieser Gruppe, mit der sie sich weder identifizieren noch sympathisieren wollen.

Dennoch werden sie oft über einen Kamm geschoren und entsprechend stigmatisiert. So geraten sie in eine moralische Falle, aus der es kaum ein Entkommen gibt. Statt in Ruhe ihr Leben führen zu können, müssen sie Stellung beziehen – und wehe, es ist die falsche!

Falsche Frage

Im Kontext des olympischen Boxsports ist nicht die Frage, ob jemand als Boxer oder Boxerin antreten sollte, relevant. Wichtiger ist, warum diese Frage überhaupt aufgeworfen wird. Biologisch gibt es nur zwei Geschlechter. Die Tatsache, dass die biologisch erwiesene Situation von Imane Khelif nun krampfhaft als gesellschaftspolitisch relevant gehandelt wird, verfehlt die Realität.

Die Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz in Deutschland, das es Personen ermöglicht, jährlich ihr Geschlecht zu wechseln, und die Involvierung von Kindern und Jugendlichen, die früh über ihre Geschlechtsidentität entscheiden sollen, zeigt die Komplexität und Tragweite des Themas.

Wann ist eine Frau wirklich eine Frau?

Die Diskussion um Geschlechtsidentität ist komplex. Der Übergang einer Frau von Kleid zu Jeans mag symbolisch sein, doch Frauen bleiben Frauen. Heute jedoch erheben selbst ernannte Transpersonen den Anspruch, als Frau oder etwas anderes anerkannt zu werden, was oft wenig Sinn macht. Diese Ambiguität führt zu Normen ohne klare Definition, was die Authentizität von Identitäten untergräbt.

Man muss sich fragen, was in den unterlegenen Boxerinnen vor sich ging, als sie von körperlich überlegenen Gegnern, die sich als Frauen identifizieren, besiegt wurden. Nicht weniger relevant ist die Betrachtung der psychologischen und sozialen Dynamiken der Personen, die sich als Frauen fühlen oder ausgeben.

Das ist keine erfreuliche Entwicklung. Sie ist nicht gut für Kinder und Jugendliche und nicht förderlich für Erwachsene auf der Suche nach sich selbst. Die Reduzierung der eigenen Person auf das Geschlecht ist letztlich destruktiv. Geschlecht sollte eine beiläufige, natürliche Eigenschaft sein, innerhalb derer die Persönlichkeitsentwicklung erfolgt. Wenn der Fokus ausschließlich auf der Geschlechtsidentität liegt, bleibt nur eine leere Hülle ohne weiterführende Ziele übrig.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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