Muhammad Yunus wird Chef der Übergangsregierung in Bangladesch

In Bangladesch hat Präsident Mohammed Shahabuddin nach Gesprächen mit dem Militär und Vertretern der studentischen Protestbewegung den Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus zum Leiter der Übergangsregierung ernannt. Eine Sprecherin des Friedensnobelpreisträgers erklärte gegenüber dem Radiosender BBC, dass der 84-Jährige bereit sei, interimistisch die Führung zu übernehmen. Die Zusammensetzung des restlichen Kabinetts wird nach weiteren Konsultationen mit den politischen Parteien festgelegt.

Yunus, geboren 1940 in Chittagong, einem Küstenort am Golf von Bengalen, studierte Wirtschaftswissenschaften in den USA, bevor er 1972, kurz nach der Unabhängigkeit Bangladeschs von Indien, in seine Geburtsstadt zurückkehrte. Nachdem er 1974 eine verheerende Hungersnot in den ländlichen Gebieten Bangladeschs erlebte, bei der Tausende Menschen starben, begann er, Bedürftigen kleine Kredite anzubieten. Diese Initiative führte 1983 zur Gründung der Grameen Bank, die als Pionierin der Mikrokreditvergabe galt und es verarmten Personen ermöglichte, eine wirtschaftliche Grundlage zu schaffen. Für seine Bemühungen erhielt Yunus 2006 den Friedensnobelpreis und 2009 die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten.

Als Kritiker der langjährigen Premierministerin Hasina sah sich Yunus mehreren Untersuchungen gegenüber, unter anderem wegen Korruption und Verstößen gegen das Arbeitsrecht. Hasina bezeichnete ihn als “Blutsauger” und warf seiner Bank Wucherzinsen vor. Anfang Januar verurteilte ein Gericht in Bangladesch den “Bankier der Ärmsten der Armen” zu einer sechsmonatigen Haftstrafe. Yunus wies die Vorwürfe zurück und charakterisierte den Prozess als politisch motiviert.

Kürzlich protestierten Studenten in Bangladesch gegen Quotenregelungen bei der Vergabe öffentlicher Stellen, was zu Protesten gegen Hasina und ihre Partei eskalierte. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen forderten mindestens 440 Todesopfer. Demonstranten stürmten am Montag Hasinas Residenz, daraufhin floh die 76-jährige Regierungschefin nach Indien. Am folgenden Dienstag löste Präsident Shahabuddin das Parlament auf.

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