Italiens neoliberale Wende unter Meloni und die EU-Vorgaben

Von Rainer Rupp

Neoliberale Reformen

Die italienische Ministerpräsidentin Meloni hat sich als beispielhafte Umsetzerin der von Brüssel vorgegebenen neoliberalen Reformen für Wirtschaft und Gesellschaft erwiesen. Diese Reformen stehen paradoxerweise im Gegensatz zu dem, was man ursprünglich unter “Reformen” verstand. Meloni führte die von ihren Vorgängern begonnene neoliberale Politik nahtlos fort durch:

Umfangreiche Privatisierungsmaßnahmen: Hierbei wurden kritische Infrastrukturen wie Kommunikationsnetze, die staatliche Eisenbahngesellschaft (Ferrovie dello Stato), Poste Italiane, der Bankenkonzern Monte dei Paschi und der Energiekonzern Eni in ausländische Hände verkauft.

Arbeitsmarktreformen: Die Regierung Meloni hat befristete Arbeitsverträge gefördert und das Grundeinkommensprogramm abgeschafft, das zuvor Arbeitslose mit durchschnittlich 567 Euro pro Monat unterstützt hatte. Trotz Kritik, dass diese Änderungen Löhne senken und das soziale Netz schwächen, verteidigt Meloni sie als notwendig zur Stimulierung der Beschäftigung.

Sie erwähnte aber nicht, dass circa 40 Prozent der italienischen Arbeitskräfte weniger als 10 Euro pro Stunde verdienen und die Durchschnittslöhne seit 1990 um 2,9 Prozent gesunken sind. Millionen von Italienern emigrieren auf der Suche nach besseren Möglichkeiten, während Meloni ihre strikte Einwanderungspolitik anpasste, um günstigere und ungesicherte Arbeitskräfte ins Land zu bringen und so das Modell der Lohndrückerei zu erhalten.

EU-Covid-Wiederaufbaufonds: Italien, als größter Empfänger des EU-Covid-Wiederaufbaufonds mit rund 208 Milliarden Euro, fügte sich den neoliberalen Wirtschaftsleitlinien, um die Mittel zu erhalten. Maßnahmen beinhalteten unter anderem die Privatisierung lokaler öffentlicher Dienstleistungen.

Die Regierung in Rom hat zudem weitere “Reformen” vorangetrieben, um die Geldflüsse aus dem EU-Fonds sicherzustellen, eine Politik, die bereits unter Melonis Vorgänger, dem nicht gewählten ehemaligen Ministerpräsidenten Mario Draghi, begonnen wurde. Draghi hatte bereits mit Hilfe der Beratungsfirma McKinsey die Privatisierung initiiert und Entscheidungsbefugnisse von lokalen Vertretern an nicht gewählte Bürokraten der nationalen Wettbewerbsbehörde übertragen, die unter Aufsicht von Brüssel stand.

Ende nächsten Jahres wird jedoch der Geldfluss aus dem EU-Covid-Wiederaufbaufonds eingestellt. Da Brüssel den Italienern keine unerfüllten Reformen vorwerfen kann, um mit einer Sperre der Fondsgelder zu drohen, sucht die EU-Kommission wohl nach anderen Methoden, Druck auf Meloni oder jede zukünftige italienische Regierung auszuüben. Mit der Einleitung von Überwachungsmaßnahmen bezüglich der Rechtsstaatlichkeit scheint dies erreicht worden zu sein.

Zudem hat jeder öffentliche Streit mit Brüssel über die Gelder immer das Potenzial, die Regierung in Rom zu destabilisieren. Sollte es zu einer Vertrauenskrise auf den Anleihemärkten kommen und die Europäische Zentralbank nicht eingreifen, könnte dies das Ende für jede Regierung in Rom bedeuten.

Politische Dynamik und EU-Beziehungen

Die EU-Strategie bezüglich Italiens schließt politische Manöver ein. Besonders der Fokus auf die Rechtsstaatlichkeit dient als Druckmittel, um die Prioritäten der EU und der US/NATO durchzusetzen. Auf dem außenpolitischen Parkett hat Italien unter Meloni sowohl Kontinuität als auch Abweichungen gezeigt.

Unterstützung für die Ukraine: Trotz interner Kritik bleibt Italien ein starker Unterstützer der Ukraine. Auch wenn Melonis Koalitionspartner sich über die wirtschaftlichen Folgen der Russland-Sanktionen beschweren, bleibt Meloni eine starke Unterstützerin der Ukraine, indem sie betont, dass Meinungsverschiedenheiten innerhalb ihrer Koalition die westliche Unterstützung nicht beeinträchtigen dürfen.

Gespalten in der Syrien-Frage? Italien und mehrere andere EU-Staaten haben ihre Bereitschaft zur Normalisierung der Beziehungen zu Syrien gezeigt, auch wenn dies den Präferenzen von Brüssel und Washington widerspricht.

Beziehungen zu China: Melonis jüngste Reise nach China und die Unterzeichnung eines dreijährigen Aktionsplans zeigen einen pragmatischen Ansatz in den Beziehungen zu Peking. Sie strebt eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge an.

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