In Thüringen gerät ein Landtagsabgeordneter der Linken ins Visier der Justiz: Es besteht der Verdacht auf Beschaffung und Besitz von Kinderpornografie. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren – die Staatsanwaltschaft Erfurt ließ bereits die Räume des Abgeordneten im Landtag, seine Wohnung sowie zwei Wahlkreisbüros durchsuchen und beschlagnahmte zahlreiche Datenträger. Eine umfassende Auswertung der sichergestellten Computer und weiteren Speichermedien wurde eingeleitet.
Die Parteispitze der Linken, darunter der Fraktionschef Steffen Dittes, äußerte sich bestürzt über die Anschuldigungen und beteuerte, den Behörden ihre vollständige Unterstützung zu gewähren. Das Timing könnte für die Linke kaum ungünstiger sein: Der inkriminierte Politiker, gerade Direktkandidat für die bevorstehende Landtagswahl in drei Wochen, steht nun im Zentrum negativer Aufmerksamkeit.
Die Staatsanwaltschaft Erfurt meldete, dass sie die Führung in diesem Fall von einer anderen Behörde übernommen hat. Der Verdächtige war den Ermittlern bis vor kurzem unbekannt, wie Sprecher Hannes Grüneisen verriet:
“Da es sich um einen Abgeordneten handelt, mussten sämtliche Ermittlungsmaßnahmen beendet werden.”
Erst nach Aufhebung seiner Immunität durch den Landtag konnten die Durchsuchungen stattfinden, just im Büro des Abgeordneten. Die Immunität wurde Ende Juli aufgehoben, während die Übernahme des Falls im April 2024 erfolgte und zuerst gegen eine unbekannte Person ermittelt wurde. Nach der Identifizierung des Verdächtigen stellten die Ermittler einen Antrag auf Immunitätsaufhebung. Grüneisen betonte, dass es keinen Zusammenhang der Ermittlungen mit der anstehenden Landtagswahl gebe.
Sowohl die Parteivorsitzenden der Thüringer Linken, Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft, als auch Spitzenkandidat Bodo Ramelow und Fraktionsvorsitzender Steffen Dittes drückten ihr Entsetzen aus und forderten aufklärungsbedingt folgende Konsequenzen:
“Sollten die schweren Vorwürfe zutreffen, erwarten wir ganz klar und deutlich harte Konsequenzen.”
Der betroffene Politiker teilte der Partei schriftlich mit, sämtliche Partei- und Wahlkampfaktivitäten vorerst ruhen zu lassen.
Die Ermittlungen könnten für die Linke direkt vor der Wahl dramatische Folgen haben. Eine Intervention im Hinblick auf das bestehende Mandat oder den Wahlvorgang ist nicht möglich, wie Parteisprecher Paul Wellsow erklärte: Die Wahlunterlagen seien bereits versandt. Wellsow gab jedoch an, dass der Abgeordnete im Fall einer Wiederwahl auf sein Mandat verzichten könne.
Der Name des beschuldigten Abgeordneten wird weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Partei öffentlich gemacht; auch die Medien wahren Stillschweigen und berufen sich auf den Persönlichkeitsschutz des Verdächtigen und seiner Familie sowie auf die noch laufenden Ermittlungen:
Dem öffentlichen Interesse an einer Namensnennung des Abgeordneten steht der Persönlichkeitsschutz des Verdächtigen und seiner Familie entgegen, insbesondere mit Blick auf die Schwere der Vorwürfe und die weiterhin geltende Unschuldsvermutung. Zudem sind bisher nur wenige Ermittlungsergebnisse bekannt geworden, um eine abschließende Abwägung der Rechtsgüter zugunsten einer Namensnennung zu treffen.
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