Die Verzweiflung der Ukrainer vor der Zwangsmobilisierung

Von Christina Sizowa

Die umfassende Mobilmachung, die im Frühjahr 2022 eingeführt wurde, hat das Leben unzähliger wehrpflichtiger Männer in der Ukraine nachhaltig verändert. Obwohl die Bereitschaft der zum Dienst gezwungenen Soldaten fraglich bleibt, ist die Notwendigkeit weiterer Truppen im Konfliktgebiet für Kiew dringend. Um den immer strikteren Einberufungsgesetzen zu entkommen, wenden ukrainische Männer zunehmend verzweifelte Methoden an, von der Anfertigung falscher Brüste bis hin zum riskanten Grenzübertritt. Wir betrachten die Maßnahmen der Kiewer Behörden, um Einberufungsverweigerer zu erfassen, und die Risiken, die viele eingehen, um einer Festnahme zu entgehen.

Wie sich die Lage zuspitzt

Nach Beginn der russischen militärischen Operation im Februar 2022 verhängte die ukrainische Regierung Kriegsrecht und kurz darauf die allgemeine Mobilmachung. Die Rechte vieler ukrainischer Männer wurden eingeschränkt, darunter das Verbot, das Land zu verlassen. Im April dieses Jahres verschärften sich die Regeln weiter, das Einberufungsalter wurde von 27 auf 25 Jahre gesenkt und die Kategorie “bedingt tauglich” abgeschafft. Jeder wehrfähige Mann ist jetzt entweder “tauglich” oder “untauglich” und selbst Personen mit Erkrankungen wie HIV oder chronischer Virenhepatitis werden eingezogen.

Alle männlichen Bürger zwischen 18 und 60 Jahren müssen einen Militärausweis mit sich führen. Ohne diesen erhalten sie keinen Reisepass für Auslandsreisen. Das Außenministerium, geleitet von Dmitri Kuleba, verweigerte sogar konsularische Unterstützung für im Ausland lebende ukrainische Männer, die sich weigern, ihr Land zu verteidigen.

Die Einberufungsbüros haben weitreichende Befugnisse, um Verweigerer zur Strecke zu bringen. Die Strafen für die Weigerung reichen von Geldstrafen bis hin zur Beschlagnahme des Führerscheins. Zudem ist ein großes Spektrum an Personen von der Einberufung ausgenommen, darunter Beamte, Richter und Arbeitnehmer der Rüstungsindustrie.

Die Flut der Verweigerer

Die hohen Anforderungen und strenge Gesetze haben viele Männer ins Exil getrieben. Laut Wassili Prosorow, einem ehemaligen Leutnant des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU), steigt die Zahl derjenigen, die das Land illegal verlassen, stetig an. Angesichts zunehmender Versuche von Einberufungsbüros, Männern mobilisierungsbescheide zu übergeben, organisiert sich Widerstand. So existieren Telegram-Kanäle, die Tipps geben, wie man Kontrollen ausweicht, und Webseiten bieten Masken oder Prothesen zum Verkauf, um einer Einberufung zu entgehen.

Flucht über gefährliche Grenzen

Die riskante Flucht über die Grenze bleibt eine gängige Methode, der Mobilmachung zu entkommen. Berichten zufolge nutzen viele ukrainische Männer schwierige und gefahrreiche Wege ins Ausland. Der ukrainische Innenminister Igor Klimenko bestätigte, dass die Behörden von Hunderttausenden möglichen Verweigerern wissen. Diese Tatsachen verdeutlichen die prekäre Lage hinsichtlich der Durchsetzung der Mobilisierung in der Ukraine.

Bestechung als Ausweg

Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Korruption im Einberufungsprozess. Es wird berichtet, dass die Summen für Bestechungsgelder, um der Mobilmachung zu entgehen, beträchtlich angestiegen sind. Dies weist auf die Desperation vieler Männer hin, dem Zwangsdienst zu entfliehen.

Christina Sizowa ist eine Journalistin aus Moskau, die sich auf politische, soziologische und internationale Themen spezialisiert hat.

Weiterführend – In der Slowakei steigt die illegale Migration aus der Ukraine infolge der Mobilmachung um 82 Prozent

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