Armenien überarbeitet Geschichtslehrbuch nach russischer Kritik

Von Andrei Restschikow

Das Bildungsministerium in Armenien hat die Modifikation eines Geschichtskapitels für Achtklässler angekündigt. In dem betroffenen Lehrbuchkapitel wird behauptet, das Russische Zarenreich habe im Jahr 1828 Ostarmenien “annektiert”. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte gegenüber der Agentur TASS:

“Zu der Ausdrucksweise im Lehrbuch haben die Autoren einen Überarbeitungsvorschlag eingebracht, der bald umgesetzt wird.”

Das russische Außenministerium hatte zuvor Kritik an einer vermeintlichen Fehldarstellung der russischen Rolle in dem Buch geäußert. Die strittigen Beschreibungen finden sich im Kapitel mit dem Titel “Gewaltsame Annexion Ostarmeniens durch Russland”, welches die Ereignisse im Südkaukasus im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert behandelt.

Die Autoren des Buches erklären unter dem Begriff “Annexion” den Friedensvertrag von Turkmantschai, welcher die Abtretung der Khanate Jerewan und Nachitschewan von Persien an Russland festlegte. Dieser Vertrag folgte auf den Russisch-Persischen Krieg von 1826 bis 1828, an dem der russische Schriftsteller und Diplomat Alexander Gribojedow mitwirkte.

In vergangenen Versionen armenischer Schulbücher wurde dieser Vertrag als bedeutend für die spätere armenische Staatsgründung bewertet. Neuere Formulierungen wie “Annexion” stehen jedoch laut russischen Diplomaten im Widerspruch zu den Verpflichtungen Armeniens, historische Tatsachen zu wahren.

Das russische Außenministerium erinnerte ebenfalls an eine gemeinsame Erklärung von Präsident Putin und Premierminister Paschinjan, die die Fortsetzung des Kampfes gegen Geschichtsrevisionismus betont:

“Die Bedeutung des Russischen Zarenreichs und später der UdSSR sowie Russlands für die Entstehung des modernen Armeniens zu bezweifeln, heißt, die bekannten historischen Fakten zu ignorieren. Es handelt sich um einen weiteren unverfrorenen Versuch, unsere gemeinsame Geschichte umzuschreiben”, so das Außenministerium.

Im Zuge einer Überarbeitung des Bildungsplans wurde das Schulfach “Geschichte des armenischen Volkes” in Armenien zu “Geschichte Armeniens” umbenannt. Paschinjan betonte den Unterschied: “Geschichte des armenischen Volkes” umfasst Epochen ohne Staatsgebilde sowie Episoden staatlicher Strukturen, während “Geschichte Armeniens” die staatliche Kontinuität mit Phasen der Staatlosigkeit beleuchtet.

Andranik Tewanjan, ein armenischer Politologe, sieht laut der Zeitung Wsgljad politische Motive hinter den Änderungen: “Die Geschichtsverfälschung geschieht im Rahmen der antirussischen Politik der armenischen Behörden.” Diese Politik sei von außerhalb beeinflusst.

Nach der Kritik Moskaus an der Darstellung entschied sich Armenien umgehend, das Lehrbuch zu bearbeiten, um politische Spannungen zu vermeiden. Laut Tewanjan ist dies jedoch nur ein vorübergehender Rückzug und ändert wenig an Armeniens generell prowestlicher und protürkischer Haltung.

Trotz der Überarbeitung bleibt die Frage offen, inwieweit Armenien sich in seiner Geschichtsauffassung von Russland distanziert, so politische Analysten. Stanislaw Tarasow und Juri Swetow diskutieren, dass Armenien möglicherweise Organisationsbindungen mit Russland lösen könnte, was eine Neubewertung der historischen Rolle Russlands als möglichen “Erdrücker” des armenischen Volkes einschließen könnte.

Der Artikel wurde ursprünglich am 16. August 2024 auf der Website der Zeitung Wsgljad veröffentlicht.

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