New York im Donbass: Symbolik und Realpolitik in der Ukraine

Von Jewgeni Krutikow

Die Siedlung New York im Donbass wurde ursprünglich von protestantischen Mennoniten zur Zeit der russischen Zarin Katharina der Großen gegründet. Entgegen der Vermutung, es könne eine Verbindung zur amerikanischen Metropole bestehen, leitet sich der Name vermutlich von der niedersächsischen Gemeinde Jork ab, aus der einige der Siedler stammten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Umsiedlung der lokalen deutschen Bevölkerung nach Osten wurde der Ort in Nowogorodskoje umbenannt. Unter dem ukrainischen Präsidenten Pjotr Poroschenko bekam das Dorf seinen alten Namen zurück, in der Hoffnung, damit US-Investitionen anzulocken.

Obwohl diese Investitionen ausblieben, blieb der symbolische Wert des Namens erhalten. In Donezk wird scherzhaft der Vorschlag gemacht, eine Medaille “Für die Befreiung von New York” zu prägen. Diese Idee fand allerdings keinen Anklang, und die wachsende Tendenz, sowjetische Namen wiederherzustellen, deutet darauf hin, dass die Bezeichnung New York bald verschwinden könnte, zugunsten von Nowogorodskoje.

Trotz der Rückeroberung Nowogorodskojes war es New York, das im Konflikt eine wichtige Rolle spielte. Vielleicht sollte es vorerst bei diesem Namen bleiben, um die außenpolitische Botschaft dieser Ereignisse zu unterstreichen:

“Die Einnahme New Yorks durch Russlands Armee unterstreicht die Konsequenzen der Präsidentschaft Joe Bidens.”

Die militärische Operation begann am 2. Juli mit einer vier Kilometer tiefen Vorstoß in das Wohngebiet von New York. Am 20. August wurde die ortsprägende Phenolfabrik, die letzte Bastion des ukrainischen Militärs, geräumt.

Die Verteidigungsstrategie der Ukraine in der Region Donezk baute über zehn Jahre lang auf sogenannten “Festungen” in den Industriegebieten auf, die auch als Ausgangspunkte für Offensiven gegen Donezk dienen sollten. Der Konfliktbereich um Dserschinsk und New York bildete dabei die letzte dieser Festungen, enge Bebauung erschwerte hier die Manövrierfähigkeit.

Zwischen den Vorstädten von Dserschinsk und New York erstrecken sich verlassene Minen, deren Halden und geflutete Tagebaugruben mit zahlreichen Bunkern gesichert wurden.

Ursprünglich nutzte das ukrainische Militär New York und die umliegenden Gebiete als große Transportdrehscheibe, später übernahm die Stadt Konstantinowka diese Rolle. Die Verteidigung von New York und des Torezker Gebiets zielte darauf ab, Konstantinowka als Rückhalt zu schützen. Mit dessen Wegfall droht nun ein Zusammenbruch der gesamten Frontlinie.

Sollten russische Kräfte Konstantinowka erreichen und die Kontrolle über die Hauptversorgungsstraßen erlangen, würde das die Versorgung ukrainischer Truppen in Tschassow Jar erheblich gefährden, was die ohnehin angespannte Militärsituation weiter verschärfen könnte.

Die Eroberung von New York und der anhaltende Vormarsch im gesamten Dserschinsker Ballungsraum verdeutlichten die Effektivität russischer Militärstrategien, die auf Koordination und synergetische Angriffe verschiedener Truppenteile setzen.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 21. August bei Wsgljad.

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