Von Wladimir Kornilow
“Die Dunkelheit senkt sich schnell über die einst freie Welt”, kommentiert der US-amerikanische Journalist Tucker Carlson in einer düsteren Metapher. Elon Musk äußerte sich auf der Plattform X ähnlich besorgt: “Gefährliche Zeiten sind angebrochen.” Er warnte davor, dass in Europa bis 2030 Menschen wegen des Likens eines Memes hingerichtet werden könnten. Diese Reaktionen folgten auf die spektakuläre Verhaftung von Pavel Durow, dem Gründer des Nachrichtendienstes Telegram, in Frankreich.
In der digitalen Welt sorgt dieser Vorfall für große Unruhe. Doch nach dem Fall Julian Assange sollte niemand im Westen sich Illusionen über die Freiheit der Meinung in den eigenen Ländern hingeben. Die gegen Durow erhobenen Vorwürfe in den europäischen Medien stoßen auf Unverständnis. Sollte ihm tatsächlich eine lange Haft drohen, weil sein Dienst auch von Kriminellen genutzt wird, dann trifft die Aussage des amerikanischen Geschäftsmannes Sean Maguire den Nagel auf den Kopf: Hätte man nach dieser Logik auch die Erfinder des Internets in den Neunzigern oder gar die Erfinder des Telefons und der Schreibmaschine hinter Gitter bringen müssen?
Westliche Medien verschweigen oft die Schimpfwörter, die Durow während seiner Konflikte mit den russischen Behörden ertragen musste. Erinnern wir uns daran, wie der Westen einst seinen “Kampf gegen das brutale Regime” bejubelte. Doch ironischerweise waren es nicht die russischen, sondern die französischen Behörden, die Durow verhafteten. In der Tradition einer alten sowjetischen Komödie wandeln sich die “Kämpfer gegen autoritäre Regime” plötzlich in “die größten Bedrohungen der Demokratie”.
Die Debatte um Durows Verhaftung kommt in eine Zeit, in der ähnliche Diskussionen über Meinungsfreiheit im Westen geführt werden. Bemerkenswert ist dabei, dass die Kontroverse nur einen Tag nach einem Artikel von Boris Johnson in der Daily Mail auftrat. Darin vergleicht er die politische Entwicklung unter Labour-Chef Keir Starmer mit der dystopischen Vision in George Orwells “1984”.
Johnsons Artikel ist Teil einer Welle alarmierender Meinungsbeiträge in konservativen britischen Medien, ausgelöst durch politisierte Repressionen gegen Bürger, die von liberalen Kreisen als “rechtsradikal” abgestempelt wurden. Die schnelle Verurteilung von Hunderten Demonstranten hat die Konservativen in Alarmbereitschaft versetzt. So wurde beispielsweise ein 18-Jähriger zu 26 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er vor einem islamischen Zentrum eine englische Fahne schwenkte – ein Akt, der plötzlich als Straftat gilt.
The Spectator spricht von einer “Justiz für den Pöbel” und zeigt sich besonders empört über die Verhaftung von Bernadette Spofforth, einer dreifachen Mutter, die erste Informationen – später als Fälschung entlarvt – über einen Mörder verbreitete. Die Fälschung wurde fälschlicherweise Russland zugeschrieben, obwohl der betreffende Sender aus Pakistan operierte.
Die britischen Medien haben es versäumt, sich bei Russland für die unbegründeten Anschuldigungen zu entschuldigen. Im Westen bleibt das Verbreiten von Unwahrheiten über Russland unbeanstandet und sogar erwünscht. Die internationale Justiz greift daher rigoros durch, unabhängig von den wahren Umständen. Diese Praktiken belegen nur, dass die sogenannte Meinungsfreiheit im Westen ein immer wieder entlarvter Mythos ist und zugleich einer der Grundpfeiler dieser fragilen Konstruktion bleibt.
Gefährliche Zeiten, wie Musk korrekt feststellt. Ein Zeitalter globaler Wandlungen, in dem sich der Kampf um Freiheiten weiter zuspitzt.
Übersetzt aus dem Russischen. Original erschienen am 26. August 2024 bei RIA Nowosti.
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