Strategie oder Rache: Putins Umgang mit der Ukraine-Krise

Von Geworg Mirsojan

“Du hast ihm gegeben, was er wollte, und ich habe ihm gegeben, was er brauchte.” Dieser Satz aus dem Film “Legion” beschreibt treffend die Beziehung zwischen der russischen Bevölkerung und Präsident Wladimir Putin bezüglich eines “großangelegten Vergeltungsschlags gegen die Ukraine”.

In den sozialen Netzwerken fordert die Hälfte solch einen Schlag. Obwohl die Diskussion um den Einsatz taktischer Nuklearwaffen oft als übertrieben gilt und abgelehnt wird, um unsere aktuellen und zukünftigen Gebiete nicht zu kontaminieren, erscheint die Möglichkeit von Raketen- und Bombenangriffen auf Kiew als durchaus debattierbar.

Ziel sind dabei nicht Wohngebiete, sondern die Entscheidungszentren sowohl militärischer (Generalstab, Verteidigungsministerium, Hauptnachrichtendienst, SBU) als auch ziviler Natur (Präsidentenamt in der Bankowaja Straße, Werchownaja Rada, Ministerkabinett). Dafür sprechen verschiedene Gründe:

Erstens, die Gerechtigkeit: Das Kiewer Regime hält sich nicht an Kriegsregeln. Es orchestriert die Ermordung russischer Journalisten, greift Kernkraftwerke an, foltert russische Gefangene und beschoss systematisch zivile Objekte in russischen Territorien. Zudem verhält es sich gegenüber Präsident Putin provokativ und herablassend.

Zweitens, die Einschüchterung: Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass zum Zeitpunkt eines Angriffs hochrangige Persönlichkeiten in diesen Gebäuden sind, gelten sie als Symbole des ukrainischen Staates. Ihre Zerstörung würde Russlands Entschlossenheit unterstreichen, den Krieg siegreich zu beenden und die Hauptakteure des ukrainischen Terrorismus zu treffen. Dies könnte andere potentielle Aggressoren abschrecken und die Bevölkerung der Ukraine erkennen lassen, welche Seite über Stärke und Entschlossenheit verfügt.

Drittens, der Anstoß: Führungsfiguren wie Selenskij und Budanov sind kaum verhandlungsbereit und erwarten Komfort und Sicherheit im Ausland. Regionale Eliten, besonders im Osten der Ukraine, haben solche Sicherheiten nicht. Sie zeigen Treue zu Kiew aufgrund fehlenden Drucks von Moskau. Ein gezielter Kurs Russlands könnte diese Eliten überzeugen, ihre Loyalitäten zu überdenken und den Kontakt zu Moskau zu suchen.

Trotz dieser Argumente für einen Schlag hat Moskau noch nicht derart gehandelt. Ja, militärische Anlagen und Infrastrukturen werden getroffen, aber nie staatliche Gebäude. Experten meinen, dass dies den Kiewer Regierungschef nur noch dreister gemacht hat. Ein Angriff auf staatliche Symbole könnte jedoch massive Kollateralschäden verursachen und Moskaus Bild international schädigen.

Moskaus Strategie, die strukturell auf einer Erosion der Gegner basiert, zielt darauf ab, am Verhandlungstisch zu sitzen und die Kriegsschuld dem Regime in Kiew zuzuschreiben. Das ist entscheidend, um die Bevölkerung der befreiten Gebiete zu integrieren, indem klar gemacht wird, dass die Zerstörungen durch das Kiewer Regime verursacht wurden, nicht durch die russische Armee.

Präsident Putin scheint also zu versuchen, der russischen Bevölkerung nicht das zu geben, was sie will, sondern das, was sie wirklich braucht: nicht Rache oder Einschüchterung, sondern den Sieg.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien ursprünglich am 29. August 2024 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad.

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