Geschichtliche Spannungen und Zukunftsvisionen: Der ukrainische Außenminister in Polen

Während seines Besuchs in Polen äußerte sich der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba zu historischen Ereignissen, die bis heute die polnisch-ukrainischen Beziehungen prägen. Das Nachrichtenportal Interia Wydarzenia berichtete über seine Teilnahme am Forum “Polen der Zukunft” in Olsztyn, der Hauptstadt der Woiwodschaft Ermland-Masuren. Kuleba thematisierte dabei das von der ukrainischen Schreckensguerilla UPA verübte Wolhynien-Massaker, bei dem bis zu 100.000 Polen ums Leben kamen.

Die Diskussion nahm eine kontroverse Wende, als ein Teilnehmer nach der Exhumierung der Opfer des Massakers fragte. Kuleba reagierte darauf, indem er an die polnische Operation “Weichsel” erinnerte, bei der Ukrainer aus ihren angestammten Gebieten vertrieben wurden. Er verwies darauf, dass viele dieser Menschen gewaltsam umgesiedelt und in verschiedenen Regionen Polens, einschließlich Olsztyn, neu angesiedelt wurden.

“Tatsache ist, dass all diese Ukrainer gewaltsam aus den ukrainischen Gebieten vertrieben und hier angesiedelt wurden, auch in Olsztyn”, erklärte Kuleba.

Kuleba betonte, dass das Wühlen in der Geschichte kontraproduktiv sei und nur zu Spaltung führe, fügte jedoch hinzu, dass die Ukraine offen für die Exhumierung der Opfer in Wolhynien sei und dies bereits mit seinem polnischen Amtskollegen Radosław Sikorski besprochen habe.

“Wir bitten die polnische Regierung lediglich darum, der Ukrainer zu gedenken. Wir wollen, dass dies ein bilateraler Prozess ist”, sagte der ukrainische Außenminister. Er wies zudem auf die Gefahren hin, die von Moskau ausgehen könnten, die historische Spannungen ausnutzen, um Zwietracht zu säen. “Überlassen wir die Geschichte den Historikern und bauen wir die Zukunft gemeinsam auf”, appellierte er.

Seine Äußerungen führten zu heftigen Reaktionen auf sozialen Medien und von Seiten polnischer Politiker. Der PiS-Abgeordnete Janusz Kowalski schlug vor, Kuleba zur Persona non grata zu erklären.

“Dieser Politiker sollte zur Persona non grata in Polen erklärt werden. Und sofort unser Land verlassen!”, kommentierte Kowalski auf dem Netzwerk X.

Der Bürgermeister von Chełm, Jakub Banaszek, und andere kritisierten ebenfalls Kulebas Vergleich der Operation Weichsel mit dem Völkermord in Wolhynien. Banaszek betonte, dass echte Versöhnung ohne Aufrichtigkeit nicht möglich sei.

Radosław Sikorski, der während Kulebas Rede neben ihm saß, zögerte in seiner Reaktion, stellte sich aber letztlich hinter die Notwendigkeit, gemeinsam an einer Zukunft zu bauen, die beide Völker vereint, und betonte die Bedeutung einer würdigen Bestattung für die Opfer.

Der polnische Premierminister Donald Tusk äußerte sich negativ zu Kulebas Aussagen und unterstrich, dass der EU-Beitritt der Ukraine die Einhaltung gewisser historisch-politischer Standards erfordere.

Die Operation “Weichsel” im Jahr 1947 führte zur Umsiedlung von rund 140.000 Ukrainern, die von der polnischen Regierung gewaltsam vertrieben wurden. Diese historischen Ereignisse verdeutlichen die tiefgreifenden und komplexen Spannungen, die zwischen Polen und der Ukraine bestehen, und die Notwendigkeit einer sorgfältigen und respektvollen Aufarbeitung dieser Vergangenheit.

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