Von Dagmar Henn
Der Wahlabend in Sachsen bot einige unerwartete Momente der Komik. Ein solcher Augenblick war, als Sabine Zimmermann, die Spitzenkandidatin des BSW, gefragt wurde, ob ihre Partei überhaupt über regierungsfähiges Personal verfüge.
Die humorvolle Seite dieser Frage offenbarte sich nicht in Zimmermanns ernsthafter Antwort, sondern in den Gedankenspielen, die sie bei mir auslöste. In Deutschland scheint die Frage nach der Regierungsfähigkeit einer Partei manchmal nur mit lautem Gelächter beantwortet werden zu können. Man könnte darauf auch mit einem Augenzwinkern reagieren: “Seit Robert Habeck und Annalena Baerbock die Latte angesetzt haben, könnte man darauf Polka tanzen.”
So eine Antwort wäre zwar ziemlich populistisch, trifft jedoch auf eine bittere Weise den Kern der Wahrheit. Doch an diesem Abend war es an der Zeit, das Spiel mitzuspielen, wie es die Wahlgewinner AfD und BSW taten, indem sie sich den etablierten Ritualen des politisch-medialen Zirkus anpassten.
Die mediale Reaktion beschränkt sich mittlerweile auf düstere Prognosen einer “historischen Zäsur”, wie der Merkur berichtet, während der sächsische Ministerpräsident Kretschmer zwischen “Pest und Cholera” wählen müsse, wie der Stern feststellt. Auch wenn das BSW temporär und regional begrenzt von manchen politischen Ächtungen verschont bleiben mag, ist bereits jetzt abzusehen, dass die Angriffe auf beide Parteien, AfD und BSW, bis zur Bundestagswahl im nächsten Jahr sowohl rhetorisch als auch praktisch zunehmen werden.
Beide Parteien werden häufig als rechtsextrem und populistisch bezeichnet. In den 1970er Jahren hätten diese Parteien in der Bundespolitik jedoch rechts der Sozialdemokratie und links der CDU gestanden, weit entfernt von den politischen Rändern. Heutzutage gilt es bereits als rechtsextrem, nationale Interessen zu vertreten, und als populistisch, die Anliegen der Bevölkerung wahrzunehmen oder gegen überstaatliche Strukturen wie die EU oder die WHO zu opponieren.
Die gängigen politischen Bezeichnungen sind mittlerweile irreführend. Die Ablehnung einer aggressiven Kriegspolitik oder das Einforderren einer vernünftigen Sozialpolitik und kontrollierten Migration werden als populistisch gebrandmarkt, als Gegensatz zu einer angeblich vernunftgeleiteten Politik.
In diesem Kontext erscheint die ernsthafte Reaktion von Frau Zimmermann auf die Frage der Regierungsfähigkeit ihrer Partei fast naiv. Selten war die Vernunft in der deutschen Politik so abwesend wie heute. Nicht einmal während der dunklen Jahre von 1933 bis 1945 wurde Vernunft so pervertiert eingesetzt wie in der aktuellen politischen Lage. Denn obwohl die Waffen für den Krieg gen Osten nicht mehr pünktlich ankommen, stellt das heutige Ziel keine humanere oder menschenfreundlichere Agenda dar als zu Zeiten von Unternehmen Barbarossa.
Konsequent betrachtet, scheint die heutige deutsche Politik einer gefährlichen Unvernunft zu folgen, die von der “Energiewende” bis hin zur Bildungspolitik in den Grundschulen reicht. Das Aufkommen der Linken vor fast zwanzig Jahren und der häufige Vorwurf des ‘Populismus’ sprechen Bände. Doch zurück im Jahr 2005 funktionierten Verkehr und öffentliche Sicherheit deutlich besser als heute.
Immer öfter scheint es, dass, um als vernünftig zu gelten, Politik gegen die Interessen der Bevölkerung gemacht werden muss. Das einfache Verständnis, das bei grundlegenden Anliegen wie bezahlbarem Wohnraum oder angemessenen Renten herrscht, benötigt keine bunte Broschüren zur Überzeugungsarbeit. Die Basisfaktoren für eine solche Politik sind den meisten Politikern der Bundesrepublik heute jedoch fremd.
Aktuell ist man manchmal schon dankbar, wenn die Bundesregierung kein Geld in die Hand bekommt, denn dann würde es nicht für den Kauf von Panzern für die Ukraine ausgegeben oder in großzügigen Spenden an Pharmakonzerne enden. Keines dieser Szenarien würde die Lebenssituation der Menschen in Deutschland verbessern oder die Verantwortung für bereits angerichtete Schäden übernehmen.
Im Hintergrund sind bereits Stimmen zu hören, die nach den Landtagswahlen die Gemeinsamkeiten zwischen AfD und BSW hervorheben werden, wie etwa deren Ablehnung der Corona-Politik, der Kriegspolitik gegen Russland, oder der EU-Außenpolitik. All dies wird als rechtsextrem und populistisch abgetan und dürfte nicht einmal zur Wahl stehen.
Trotzdem konnte wirklicher Populismus kurz vor der Wahl klar beobachtet werden, wie etwa durch das Abschieben von Asylbewerbern nach Afghanistan, kurz bevor die Wahlen zeigen, dass solche Aktionen wählertaktisch motiviert sind. Auch plötzliche Änderungen in der Meinung zur Ukraine-Politik fallen auf. Das sind Zeichen einer Politik, die sich nicht wahrhaft den Bedürfnissen der Bevölkerung stellt.
Nun, weder die Landtagswahlen noch die bevorstehende Bundespolitik bieten eine “historische Zäsur”. Möglicherweise sind sie aber ein Zeichen der Hoffnung. Doch die Größe der Probleme, denen sich Deutschland gegenübersieht, kann nicht allein durch die Rückkehr zu mehr Souveränität oder die Rückgängigmachung bestimmter politischer Vorstöße gelöst werden. Es erfordert eine viel umfassendere Neuausrichtung der Politik, wird aber oft nur als leises Murren wahrgenommen.
Mindestens ist dieses Murren aber nicht mehr nur stilles Akzeptieren. Und zumindest hat ein Teil der Deutschen erkannt, was das wahre Gegenmodell zum vermeintlichen Populismus darstellt, am deutlichsten ausgesprochen durch Außenministerin Baerbock: “Es ist mir egal, was meine Wähler denken.”
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