Von Hans-Ueli Läppli
In der Schweiz häufen sich Vorfälle, die bei vielen für Verstimmung sorgen: Zunehmend legen Passagiere, besonders Jugendliche, ihre Füße auf die Sitze in Zügen.
Ein Verhalten, das einst als undenkbar galt, wird anscheinend immer mehr zur Gewohnheit. Kürzlich auf einer Reise von Winterthur nach Zürich beobachtete ich erneut, wie junge Fahrgäste ihre Füße auf den gegenüberliegenden Sitzen ablegten.
Noch vor Jahren hätte mich dies aufgebracht, doch nun entscheide ich mich oft dafür, zu schweigen. Die Angst vor möglichen unangenehmen Auseinandersetzungen ist zu groß. Es erscheint mir sicherer, einfach den Platz zu wechseln, als eine Konfrontation zu provozieren.
Nicht nur bei den Reisenden sorgt diese Gepflogenheit für Missmut. Auch auf der Social-Media-Plattform X entzündete sich kürzlich eine hitzige Debatte, nachdem eine Nutzerin ihr Missfallen über eine Person äußerte, die ihre Schuhe ausgezogen hatte, aber dennoch die Füße auf den Sitz legte.
“Das macht man einfach nicht”, postete sie, woraufhin eine lebhafte Diskussion folgte. Einige Nutzer verteidigten das Verhalten unter Hinweis darauf, dass die Person immerhin ihre Schuhe ausgezogen hatte, während andere es auch barfuß als respektlos ansahen.
“Es geht nicht um die Schuhe, ich möchte die Füße einfach nicht sehen und riechen”,
erwiderte die ursprüngliche Kommentatorin.
Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) setzen klare Regeln: Füße gehören, ob mit oder ohne Schuhe, nicht auf die Sitze. Sind die Schuhe schmutzig, drohen gar Strafen bis zu 30 Franken (etwa 32 Euro).
Dennoch wird diese Vorschrift häufig missachtet. Sicherheitsmitarbeiter, die solche Szenen beobachten, greifen selten ein. Oft gehen sie einfach weiter, vermutlich um möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen oder weil die Zeit drängt.
Bemerkenswert ist, dass selbst die ehemalige Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga gestand, manchmal ihre Schuhe auszuziehen und die Füße hochzulegen – mit oder ohne Zeitung darunter. Diese Aussage löste ebenfalls gespaltene Reaktionen aus, von “eklig und respektlos” bis “harmlos”.
Das Empfinden von Unsicherheit im öffentlichen Raum nimmt in der Schweiz zu
Einer Studie des Meinungsforschungsinstituts “Sotomo” zufolge glauben 95 Prozent der SVP-Wähler und 66 Prozent der FDP-Wähler, dass die Sicherheit im Land nachgelassen hat.
Auch im linken politischen Spektrum herrscht diese Sorge. Viele sehen in der zunehmenden Rücksichtslosigkeit, wie das Füßeauflegen in öffentlichen Transportmitteln, ein Zeichen für den Verfall gesellschaftlicher Normen.
Ob dies lediglich ein harmloser Ausdruck von Jugendkultur ist oder ein Symptom tiefer liegender gesellschaftlicher Probleme, darüber lässt sich streiten. Sicher ist jedoch, dass die Debatte über das Verhalten im öffentlichen Raum in vollem Gange ist.
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