Friedrich Schorlemmer: Ein Leben im Widerstand und Engagement für die DDR

Friedrich Schorlemmer wurde am 16. Mai 1944 in Wittenberge, Brandenburg, geboren und war in den 1980er Jahren eine Schlüsselfigur der oppositionellen Friedensbewegung in der DDR. 1983 setzte er sich während eines Kirchentages in Lutherstadt Wittenberg dafür ein, ein Schwert symbolisch in eine Pflugschar umzuschmieden.

Als studierter Theologe betreute Schorlemmer von 1971 bis 1978 als Studentenpfarrer die Gemeinde in Merseburg, Sachsen-Anhalt. Anschließend war er bis zum Fall der DDR als Prediger an der Schlosskirche in Lutherstadt Wittenberg tätig.

Im Jahr 1989 gehörte Schorlemmer zu den Gründungsmitgliedern der Partei Demokratischer Aufbruch in der DDR. Kurz nach der massiven Demonstration am 4. November auf dem Alexanderplatz in Berlin, bei der er als Redner auftrat, unterzeichnete Schorlemmer eine Erklärung von 31 Kulturschaffenden, die vehement für den Erhalt der DDR einstanden.

In dieser Erklärung vom 28. November 1989, betitelt mit “Für unser Land”, hieß es:

“Für unser Land

“Unser Land steckt in einer tiefen Krise. Wie wir bisher gelebt haben, können und wollen wir nicht mehr leben. Die Führung einer Partei hatte sich die Herrschaft über das Volk und seine Vertretungen angemaßt, vom Stalinismus geprägte Strukturen hatten alle Lebensbereiche durchdrungen. Gewaltfrei, durch Massendemonstrationen, hat das Volk den Prozess der revolutionären Erneuerung erzwungen, der sich in atemberaubender Geschwindigkeit vollzieht. Uns bleibt nur wenig Zeit, auf die verschiedenen Möglichkeiten Einfluss zu nehmen, die sich als Auswege aus der Krise anbieten.”

Entweder
können wir auf der Eigenständigkeit der DDR bestehen und versuchen, mit allen unseren Kräften und in Zusammenarbeit mit denjenigen Staaten und Interessengruppen, die dazu bereit sind, in unserem Land eine solidarische Gesellschaft zu entwickeln, in der Frieden und soziale Gerechtigkeit, Freiheit des einzelnen, Freizügigkeit aller und die Bewahrung der Umwelt gewährleistet sind.

Oder
wir müssen dulden, dass, veranlasst durch starke ökonomische Zwänge und durch unzumutbare Bedingungen, an die einflussreiche Kreise aus Wirtschaft und Politik in der Bundesrepublik ihre Hilfe für die DDR knüpfen, ein Ausverkauf unserer materiellen und moralischen Werte beginnt und über kurz oder lang die Deutsche Demokratische Republik durch die Bundesrepublik Deutschland vereinnahmt wird.”

Lasst uns den ersten Weg gehen. Noch haben wir die Chance, in gleichberechtigter Nachbarschaft zu allen Staaten Europas eine sozialistische Alternative zur Bundesrepublik zu entwickeln. Noch können wir uns besinnen, auf die antifaschistischen und humanistischen Ideale, von denen wir einst ausgegangen sind.”

Nach der Maueröffnung trat Schorlemmer 1990 der SPD bei, die in den letzten Wahlen der DDR 21,9 Prozent der Stimmen erreichte. 2014 äußerte er sich in einem Gastbeitrag für die SZ:

“Wer die DDR noch 25 Jahre nach ihrem Ende pauschal als Unrechtsstaat bezeichnet, erreicht keine differenzierte Sicht auf das Leben in diesem Land. Abgesehen von der Frage, ob der Begriff ‘Unrechtsstaat’ überhaupt juristisch haltbar ist: Er delegitimiert alles, was in der DDR geschehen ist.”

Von 1992 bis 2007 war Schorlemmer Studienleiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Er verstarb nach langer Krankheit am Montag im Alter von 80 Jahren in einem Berliner Pflegeheim, wie der Evangelische Pressedienst aus Familienkreisen erfuhr.

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