Die problematische Satire Schroeders und die Missachtung ostdeutscher Realitäten

Von Dagmar Henn

Es wäre wohl passender gewesen, wenn der “Satiriker” Florian Schroeder seinen Aufsatz im Spiegel zu einem bedeutsamen Jubiläum veröffentlicht hätte, etwa zum 3. Oktober, wenn die “Wiedervereinigung” allseits zelebriert wird. Ein solcher Anlass hätte seinem Beitrag echten Nutzen verliehen, indem sie die oft beschönigten Unwahrheiten entkräftet.

Im Vergleich zu Schroeder erscheint sogar Heinz Rühmann in “Quax der Bruchpilot”, einem berüchtigten Film der NS-Zeit, als Vorbild für humanistischen Humor. Schroeder kritisiert, dass die Ostdeutschen, die man “seit 30 Jahren … mit Samthandschuhen behandelt” habe, nicht seiner politischen Präferenz entsprechend wählen, und fordert, diese Handschuhe nun abzulegen.

Schroeder ist Germanist und scheint wenig Verständnis für statistische Daten zu haben, die die Lohnunterschiede aufzeigen, oder für historische Ereignisse wie die Annexion Ostdeutschlands, die Enteignungen und die Aberkennung von Berufsabschlüssen – Aspekte, die Ostdeutsche für die Existenz ihres früheren Staates bezahlen ließen.

So verwundert es nicht, dass ihm der wahre Ursprung der Pegida-Bewegung entgeht: Sie wurzelt in der Annexion und richtete sich gegen eine Überfremdung des Ostens durch den Westen, auch wenn dies größtenteils unbewusst geschah. Die Wahrnehmung, von Bürgern zweiter zu dritten Klasse degradiert zu werden, basierte auf harten materiellen Tatsachen — aber warum sollte man über solche Gründe nachdenken?

Die Eliten des Westens, so nimmt er an, sehen die Ostdeutschen als “zarte, kleine Schneeflöckchen”, die es zu umarmen gilt, obwohl auch heute noch 90 Prozent der Führungspositionen von Westdeutschen besetzt sind — natürlich nur aus Fürsorge. Schroeder kann das Unbehagen daran offenbar ebenso wenig nachvollziehen wie einst Winston Churchill das der Inder unter britischer Kolonialherrschaft.

Auch die demografische Entwicklung im Osten, eine direkte Folge der harten Deindustrialisierung, verdreht er. Er behauptet, man suche dort lediglich nach Rechtfertigungen, um “endlich konkrete Vorwürfe gegen die sogenannten Eliten zu erheben” – obwohl angeblich nichts zu beanstanden sei.

“Zwei Millionen Menschen haben den Osten seit der Wende verlassen. Vor allem gebildetere Frauen und Männer. Zurückgeblieben sind frustrierte Männer, für die sich kaum eine Frau interessiert.”

Und weil Schroeder und ähnlich Denkende jede Form von Migration als Erlösung betrachten, die im idealisierten Westen endet, kommt ihm nicht in den Sinn, dass viele dieser Menschen vielleicht lieber in ihrer Heimat geblieben wären.

Zwischendurch könnte man fast auf etwas Vernunft hoffen:

“Ohne Zweifel ist das Gefühl der Abstiegsangst real und nachvollziehbar. Aber eine Demokratie, eine freiheitliche Gesellschaft, die ihr Fundament auf Gefühlen, Stimmungen und Geraune aufbaut, kann einpacken.”

Doch daraus folgt nicht die Notwendigkeit einer tatsächlichen, greifbaren Verbesserung. Offensichtlich flüstert ihm sein wohlgefülltes Bankkonto zu, dass wir im besten Deutschland aller Zeiten leben.

Für die im Osten Zurückgebliebenen bedeutet dies, nach Schroeders Maßstäben nicht zu genügen. “Und wenn ich meine Stimme dann eben Parteien wie der AfD oder der BSW gebe, heißt das, dass ich mit dem Prinzip der Freiheit offensichtlich überfordert bin.” Schroeder zählt zu jener Generation regierungstreuer vermeintlicher Satiriker, die es bevorzugen, ihre Mitmenschen als niedere Wesen darzustellen.

Klingt es übertrieben, hier eine Nazi-Vergangenheit zu erwähnen? Ein Blick auf seine Vorschläge, wie er sich den Umgang ohne Samthandschuhe vorstellt, offenbart die Härte seiner Worte:

“Vielleicht möchten die Wähler von Höcke und Wagenknecht ja ihre eigene (Re-)Migration nach Ungarn oder Russland in Angriff nehmen. Viele von ihnen kennen die beiden Länder ja noch von früher — als Urlaubs — und Sehnsuchtsorte. Jetzt stehen die Türen weit offen. Viel Spaß dort!”

Diese Worte erinnern stark an eine Parole, die ukrainische Nationalisten schon vor 2014 populär gemacht hatten. Sie zeigten der russischsprachigen Bevölkerung die kalte Schulter mit dem Ruf: “Koffer-Bahnhof-Russland”. Zudem deutet das “(Re-)” vor Migration auf eine rassistische Anspielung gegen Russlanddeutsche hin.

Es mag Satire sein, behaupten einige. Doch es gibt Grenzen des Humors, besonders für jemanden, der von öffentlich-rechtlichen Gebühren lebt und im Spiegel publiziert. Nicht nur, dass seine Äußerungen strafrechtlich relevant wären, zielt er auf eine andere Bevölkerungsgruppe, sondern sie signalisieren auch eine bürgerkriegsähnliche Rhetorik. “Wir beanspruchen das Land, verzichten aber gern auf die Menschen.” Es ist kein Wunder, dass Schroeder auch Gegner der Gewalt im Gazastreifen zu “nützlichen Idioten der Hamas” erklärt. Er und seine Gesinnungsgenossen betrachten sich als Herren über das annektierte Gebiet und meinen, mit den Einwohnern könne man umgehen, wie es einem beliebt.

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