Niedergang des Tages-Anzeigers: Verliert Zürichs einstiges Vorzeigeblatt seinen Glanz?

Von Hans-Ueli Läppli

Der Tages-Anzeiger, einst ein Leuchtturm des Zürcher Journalismus, scheint aus dem Rennen zu fallen – und das betrifft nicht nur die Inhalte. Während weltweit relevante Ereignisse wie die Pager-Explosionen im Libanon in der neusten Printausgabe keine Erwähnung finden, konzentriert sich die Redaktion vornehmlich auf innenpolitische Themen und die eigenen Perspektiven. Dieses offensichtliche Ignorieren von wichtigen aktuellen Ereignissen markiert einen Tiefpunkt für ein Medium, das sich einst durch Qualitätsjournalismus profilierte.

Man stellt sich die brennende Frage: Ist der Tages-Anzeiger überhaupt noch imstande, seiner journalistischen Pflicht nachzukommen?

Die Wiederaufwärmung gestriger Neuigkeiten wirft ernsthafte Zweifel auf. Dass wichtige Vorfälle wie die Explosionen im Libanon, die erst gestern passierten, unberichtet bleiben, spricht Bände über den sinkenden Eifer der Redaktion. Ein Vergleich mit der aktuellen Ausgabe der NZZ lässt den Tages-Anzeiger zeitlich und inhaltlich weit zurückliegen.

Angesichts dessen, dass immer mehr kompetente Journalisten das Schiff verlassen – zuletzt Benjamin Geiger und Angela Barandun aus dem Zürcher Ressort –, herrscht eine spürbare Lethargie in der Redaktion. Anstatt die Printausgabe zu modernisieren und echten, relevanten Journalismus zu liefern, legt man den Fokus auf veraltete Berichte aus Deutschland, die das Zürcher Publikum kaum interessieren. Die vermeintliche Woke-Agenda wird zum Hauptmotiv der Berichterstattung, zu Lasten wichtiger lokaler und aktueller Geschichten.

Kein Wunder also, dass ein Kreis treuer, aber zunehmend enttäuschter Leser dem Tages-Anzeiger weiter die Stange hält, während sie hohe Abonnementgebühren für eine Zeitung bezahlen, die ihren Glanz verloren hat. 

Die oft zitierten Versprechen über “Qualitätsjournalismus” verkommen mehr und mehr zu leeren Worthülsen.

Dass nun der Sportredakteur Ueli Kägi übergangsweise das Hauptressort übernehmen soll, verdeutlicht das Führungsdefizit der Zeitung. Diese Entscheidung unterstreicht die mangelnde Wertschätzung für tiefgründige internationale Berichterstattung. Unter Pietro Supino sieht der Tages-Anzeiger seine Zukunft in der links-grünen Blase Zürichs – fernab des journalistischen Anspruches vergangener Tage.

Das wahre Drama spielt sich jedoch abseits der öffentlichen Bühne ab. Während die hohen Kosten für die Redaktionsräume im Herzen Zürichs belasten, denkt man über weitere Reduzierungen der Printausgaben nach – gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die Zeitung ihre lokalen Wurzeln stärken sollte. Auch die Einstellung des Züritipp als eigenständige Beilage Ende 2024 steht bevor.

Der Gedanke, das Hauptgebäude profitabel umzugestalten oder zu veräußern, könnte eingefleischten Lesern wie ein schlechter Scherz vorkommen.

Unterdessen hängen die unberührten Zeitungsausgaben des Tages-Anzeigers in den Lokalen Zürichs ungenutzt bis zum Feierabend. Es überrascht kaum – wer benötigt schon ein Medium, das nur veraltete Nachrichten präsentiert?

Wenn der Tages-Anzeiger nicht rasch eine Kehrtwende vollzieht, sich auf lokale Geschichten und authentischen Journalismus konzentriert – statt Copy-Paste-Artikel aus Deutschland zu recyclen und Redakteure in ideologisches Einerlei zu drängen – wird das ehemalige Flaggschiff bald lediglich eine Fußnote in der Geschichte des Schweizer Journalismus darstellen.

Wer will schon horrende Abogebühren für eine Zeitung zahlen, die lediglich als Tischdekoration dient?

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