Ursula von der Leyens Agenda für die neue EU-Kommission

Von Pierre Lévy

Ursula von der Leyen, die im Juli erneut zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt wurde, hat die für die neuen Kommissare vorgesehenen Aufgabenbereiche am 17. September bekannt gegeben. Dieser Schritt folgte auf ausgiebige Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten.

Jeder Mitgliedstaat schlägt eine Person vor, die er für die nächsten fünf Jahre nach Brüssel schicken möchte. Es obliegt dann der Präsidentin, die Zuständigkeiten zuzuweisen. Die europäischen Parlamentarier müssen jeden Kandidaten bestätigen und zeigen dabei nicht selten, dass sie Einfluss nehmen können, indem sie bisweilen Kandidaten ablehnen.

Die Bekanntgabe des zukünftigen Kommissarskollegiums wurde in Brüssel mit Spannung erwartet, während das Interesse der breiten Öffentlichkeit gering blieb. Besonders in Frankreich, wo die Bildung der nationalen Regierung bereits wenig Beachtung findet, stößt die EU-Politik auf noch weniger Resonanz.

Dennoch verdient die Verteilung der EU-Ämter Beachtung, da sie nicht nur interne Machtkämpfe widerspiegelt, sondern auch das feine Gleichgewicht zwischen den unterschiedlichen EU-Ländern und politischen Richtungen. Dies zeigte sich deutlich, als von der Leyen in letzter Minute den französischen Kommissionskandidaten Thierry Breton aufgrund persönlicher Differenzen zurückzog und stattdessen Stéphane Séjourné vorschlug.

Darüber hinaus gibt die Verteilung der Posten Aufschluss über die Machtverhältnisse in der EU und die zukünftigen Schwerpunkte. Neu ist etwa der Posten eines Kommissars für europäische Verteidigung und Raumfahrt, der die Integration der nationalen Rüstungsindustrien vorantreiben soll. Das Europäische Investitionsprogramm für Verteidigung, das von der Leyen initiieren will, zielt darauf ab, die Verteidigungsindustrie stärker zu zentralisieren und einen Binnenmarkt für Verteidigungsgüter zu schaffen.

Der Posten des Verteidigungskommissars geht an Andrius Kubilius, den ehemaligen Premierminister Litauens, was die geopolitische Bedeutung dieses Amtes unterstreicht. Die baltischen Staaten verfolgen eine deutlich defensive Linie gegenüber Moskau, was ihre Kandidaten besonders prädestiniert für solch strategische Positionen macht.

Kaja Kallas aus Estland, die eine harte Haltung gegenüber Russland vertritt, übernimmt das Amt der Hohen Vertreterin der EU für Außenpolitik. Zugleich zeigt die Entscheidung gegen die Besetzung des Erweiterungsressorts mit dem Letten Valdis Dombrovskis eine vorsichtige Taktik von der Leyens, um Provokationen zu vermeiden.

Piotr Serafin, ein enger Berater des polnischen Premierministers Donald Tusk, wird als EU-Haushaltskommissar eine Schlüsselrolle in der Unterstützung der militärischen Ziele übernehmen. Polens Bestreben, seine militärischen Kapazitäten massiv zu erweitern, auch durch Käufe außerhalb der EU, zeigt die Schwierigkeiten einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik.

Die Neuaufstellung der Europäischen Kommission verdeutlicht, dass interne Divergenzen nicht leicht auszubalancieren sind, insbesondere im Kontext globaler politischer Unsicherheit.

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