Am 6. Oktober steht Kasachstan vor einer bedeutenden Entscheidung: das Land wird über den Bau seines ersten Atomkraftwerks in einem Volksentscheid abstimmen. Mehr als zwölf Millionen Stimmberechtigte sind dazu aufgerufen, über die zukünftige Energierichtung des zentralasiatischen Landes zu entscheiden.
In einer Rede zu Beginn des Monats kündigte Präsident Qassym-Schomart Toqajew das Referendum an und betonte die Notwendigkeit für Kasachstan, auf “zuverlässige und saubere Energiequellen” umzusteigen. Er verwies darauf, dass das Land mit den größten Uranreserven weltweit auch die Fähigkeit besitzt, Kernbrennstoff herzustellen. “Es ist an der Zeit, diesen Vorteil zu nutzen,” erklärte Toqajew.
Trotz umfangreicher Uranvorkommen nutzt Kasachstan gegenwärtig keine Kernenergie zur Stromerzeugung und stützt sich hauptsächlich auf veraltete Kohlekraftwerke, die über 70 Prozent des Stroms liefern. Diese Abhängigkeit resultiert oft in Stromausfällen, die den Unmut in der Bevölkerung verstärken. Diese Diskrepanz ist Kernpunkt aktueller Debatten.
Im bevorstehenden Referendum wird den Bürgern wahrscheinlich lediglich eine Frage gestellt: “Sind Sie mit dem Bau eines Atomkraftwerks in Kasachstan einverstanden?” Die Antwortoptionen sind einfach: Ja oder Nein.
Bereits seit den 1990er-Jahren wird in Kasachstan die Umstellung auf Kernenergie diskutiert, bisher ohne konkrete Resultate trotz Auswahl möglicher Standorte und ausländischer Partner. Dies könnte sich jetzt ändern, da die Regierung kürzlich Beratungen mit IAEO-Generaldirektor Rafael Grossi durchführte, der gegenüber kasachischen Medien äußerte:
“In diesem Jahr arbeiten wir an verschiedenen Schulungen und Treffen mit kasachischen Nuklearexperten und bereiten uns darauf vor, Kasachstans Bemühungen zur Einführung der Kernenergieerzeugung zu begleiten und zu unterstützen, falls die Entscheidung für dieses Projekt positiv ausfällt.”
Kritiker, die einer Umfrage des Kasachischen Instituts für Strategische Studien zufolge etwa ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, erinnern an die nuklearen Tests der Sowjetunion in Semipalatinsk. Sie befürchten Unfälle und negative Umwelteinflüsse. Dennoch zeigt eine Mehrheit der Bevölkerung (53,1 Prozent) Unterstützung für das Projekt, insbesondere in städtischen Regionen, von dem sie sich langfristig eine Lösung der Energiekrise erhoffen.
Sollte die Mehrheit für den Bau stimmen, plant die Regierung, geeignete internationale Partner auszuwählen und neue Gesetze zu erlassen. Das Kernkraftwerk, das am Balchaschsee im Osten des Landes errichtet werden soll, wird voraussichtlich 11,2 Milliarden US-Dollar kosten und soll bis 2035 fertiggestellt sein. Unter den interessierten Parteien befinden sich große Namen wie Rosatom aus Russland, CNNC aus China, KHNP aus Südkorea und EDF aus Frankreich.
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