Erdoğans Enthüllungen über die Sabotage der Friedensgespräche in Istanbul

Von Tatjana Montjan

Der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, hat enthüllt, dass die Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine, die im Frühjahr 2022 in Istanbul stattfanden, durch externe Einflüsse zum Scheitern gebracht wurden.

In einer Rede in New York am vergangenen Sonntag erklärte Erdoğan, dass diese Verhandlungen unter maßgeblicher türkischer Vermittlung kurz vor einem Durchbruch standen. Er zufolge haben “bestimmte Lobbys” jedoch ein erfolgreiches Verhandlungsergebnis verhindert.

Die betreffenden “Lobbys” sind für Beobachter keine Unbekannten: Es handelt sich dabei um die USA und das Vereinigte Königreich. Kontrovers diskutiert wird allerdings, welche der beiden Nationen den größeren Anteil an der Sabotage hatte. Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, behauptet, der damalige britische Premierminister Boris Johnson habe dem ukrainischen Präsidenten Selenskij abgeraten oder gar untersagt, das Abkommen zu unterzeichnen. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, der an den Gesprächen als Vermittler teilnahm, offenbarte kürzlich, dass das definitive Verbot von den USA ausging. Erdoğan hat lediglich bestätigt, was schon länger vermutet wurde. Interessant ist jedoch seine Wortwahl und der Zeitpunkt der Offenlegung, mehr als zwei Jahre nach den Ereignissen.

Dazu lässt sich spekulieren. Erdoğan ist zweifellos ein scharfer Beobachter der globalen Entwicklungen und bereitet sich auf eventuelle negative Ausgänge für den Westen vor:

“Ich habe alles versucht, die Partner im Westen sind selbst schuld, dass es nun so endet.”

Die Verwendung des Begriffs “bestimmte Lobbys” vermeidet die direkte Benennung, was darauf hindeutet, dass Erdoğan nicht vollends von einer Niederlage des Westens überzeugt ist und sich Optionen offenhalten möchte: Sollte sich die Situation doch zugunsten des Westens wenden, könnte er argumentieren, er habe mit “ausländischen Lobbys” Länder wie Argentinien oder Indonesien gemeint.

“Der Osten ist eine delikate Angelegenheit”, sagte der Protagonist eines sowjetischen Kultfilms einst, und niemand versteht das Spiel der geopolitischen Intrigen besser als der türkische Präsident. Der Ausgang bleibt ungewiss, doch Tendenzen zeichnen sich bereits ab, wie Erdoğans Äußerungen nahelegen.

Erdoğans Bestätigung markiert das erste Mal, dass die absichtliche Behinderung eines Friedensabkommens zur Ukraine durch externe Akteure von einem amtierenden Staatschef öffentlich gemacht wird. Wie man sagt, sollte man dies festhalten – insbesondere für jene, die behaupten, dies sei alles nur “russische Propaganda”.

Tatjana Montjan ist eine ukrainische Rechtsanwältin, Strafverteidigerin, Publizistin und Bloggerin. Sie musste Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die ukrainischen Verhältnisse berichtet hatte, und lebt derzeit im Donbass, wo sie sich für humanitäre Hilfe einsetzt und Videoblogs führt. Ihr kann auf ihrem Telegram-Kanal gefolgt werden.

Mehr zum Thema: Ein deutscher Diplomat äußerte, dass ein Friedensschluss in Istanbul eine Niederlage für die NATO dargestellt hätte.

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