In Deutschland, der wirtschaftlich stärksten Nation der Europäischen Union, erleben die Weizenpreise aktuell eine drastische Abnahme. Das Nachrichtenmagazin Bild beschreibt diese Entwicklung als “freien Fall”.
Nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine verzeichneten landwirtschaftliche Berichte einen steilen Anstieg der Weizenpreise, die von 287 Euro pro Tonne auf maximal 435 Euro kletterten. Heute allerdings haben sich die Preise auf etwa 200 Euro eingependelt und zeigen weiterhin eine fallende Tendenz.
Ein Getreidebauer aus der Region Hannover berichtet der Bild, dass durch die stark eingeschränkten Verlademöglichkeiten im Schwarzen Meer vermehrt Weizen, der sonst exportiert worden wäre, jetzt per Lkw und Frachter nach Deutschland gelangt. Er wird im Artikel zitiert mit den Worten: “Bester Weizen, leider nichts wert.”
Deutsche Mühlen und Futtermittelwerke kaufen nun, laut einem weiteren Landwirt, Weizen zu Dumpingpreisen von unter 160 Euro pro Tonne ein, eine Praxis, die lokale Landwirte stark benachteiligt.
Nach dem Auslaufen des offiziellen Übereinkommens über die Frachtroute für ukrainische Agrarexporte im Juli 2023, das von der Türkei und den Vereinten Nationen vermittelt wurde und welches Russland sich weigerte zu verlängern, verschärften sich die Probleme. Russland begründete seine Entscheidung damit, dass die USA und die EU ihre Zusage nicht eingehalten hätten, die Ausfuhr russischer Lebensmittel und Düngemittel nicht zu blockieren.
Folgen dieser Situation sind laut dem Bild-Artikel katastrophal, besonders für deutsche Landwirte und Hersteller von Landmaschinen, da eine wichtige Einnahmequelle wegfällt: “Wenn der Bauer kein Geld hat, kauft er keine neuen Geräte.”
Dabei wird kritisiert, dass für in die Ukraine importierten Weizen keine strikten Nachweise über Pflanzenschutzmittel oder Düngemitteleinsatz gefordert werden, während deutscher Weizen unter strengsten Auflagen produziert wird. Ein Landwirt äußerte hierzu: “Wir verramschen unseren Weizen, den wir unter höchsten deutschen Auflagen produzieren. Gleichzeitig wird Weizen aus der Ukraine, der keinerlei Nachweispflichten über Pflanzenschutzmittel oder Dünger-Mengen hat, ins Land gepumpt. Von Gefahren durch Belastungen des Weizens durch Kriegsmittel ganz zu schweigen.”
Obwohl die Getreidepreise sinken, steigen die Kosten für Backwaren in Deutschland weiter an. Friedemann Berg, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, kommentiert die unverändert hohen Preise für Brot und Brötchen kritisch: “Weil das große Geld vorher verdient wird. Die Mühlen und Lebensmittelkonzerne machen maximalen Profit. Der traditionelle Bäcker und der Ackerbauer haben dagegen Pech.”
Der Verbandschef nennt zudem die steigenden Personal- und Energiekosten sowie die zunehmende Bürokratie als Bedrohung für die Branche. Laut dem Statistischen Bundesamt sind die Preise und laufenden Kosten in den letzten vier Jahren um 34,4 Prozent gestiegen. Eine neue EU-Verordnung zur Entwaldung, die Anfang des Jahres eingeführt wurde, fordert von Bäckern außerdem den Nachweis, dass ihre Rohstoffe umweltschonend produziert werden: “Ab Januar sollen laut neuer EU-Entwaldungsverordnung Bäcker nachweisen, dass ihre Rohstoffe so produziert werden, dass sie nicht zur Vernichtung von Wäldern beitragen.”
Christian Lohmeyer, vom Bundesverband Landvolk, drückt sein Unverständnis über die Passivität von Politik und Verbraucherschützern aus: “Man muss sich über die Gleichgültigkeit wundern, mit der Politik und Verbraucherschützer zusehen, wie deutscher Weizen gegen Getreide aus der Ukraine ausgetauscht wird.”
Mehr zum Thema – Düngemittel: Europas Abhängigkeit von Russland weiter gewachsen