Von Gert Ewen Ungar
Untersuchungen zum Wahlverhalten zeigen, dass die AfD bei jungen Menschen zunehmend beliebt wird. In Deutschland stellt sich daher die Frage: Warum? Warum entscheiden sich junge Menschen gegen den Trend zu einer immer progressiveren, toleranteren und vielfältigeren Gesellschaft? Dies ist eine Frage, die die ältere Generation beschäftigt.
Warum lehnen jüngere Leute Entwicklungen ab, die durch LGBT-Ikonen wie Volker Beck vorangetrieben wurden? Anti-Diskriminierung und Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten sollten doch angenommen werden. Es handelt sich schließlich um wertvolle humanistische Prinzipien. Warum orientieren sich junge Menschen nicht an Tessa Ganserer, die selbstbewusst ihre geschlechtliche Identität offen lebt? Das steht doch für Freiheit!
Die Antwort darauf könnte überraschend simpel sein. Für die jungen Leute, die heute 20 Jahre alt sind, sind Persönlichkeiten wie Volker Beck, der 63 Jahre alt ist, und Tessa Ganserer, die 47 Jahre alt ist, Figuren einer älteren Generation. Sie werden eher als Autoritätsfiguren denn als Vorbilder gesehen, von denen man sich bewusst abgrenzen möchte. Es ist eine natürliche Neigung der Jugend, sich von den Pfaden ihrer Eltern und Großeltern zu distanzieren und eigene Wege zu suchen. Genau dies verkörpern Volker Beck und Tessa Ganserer.
Dieses Muster wiederholt sich in jeder Generation: Junge Menschen streben danach, ihren eigenen Weg zu gehen und sich von dem zu lösen, was ihre Kindheit und Jugend dominierte. Die gegenwärtige Freiheit junger Menschen spiegelt sich in ihrem Wunsch wider, sich von den etablierten Normen zu unterscheiden.
Junge Menschen heute sind vor allem mit den Entwicklungen der letzten drei bis vier Jahrzehnte konfrontiert. Was davor geschah, liegt außerhalb ihrer persönlichen Erfahrungen. Ihnen wurde beigebracht, dass Teilnahme an Gay Prides, richtige Verwendung von gendergerechter Sprache und die Darstellung der eigenen sexuellen Identität wichtige und erstrebenswerte Ziele sind. Sie wurden damit aufgezogen, dass traditionelle Familienstrukturen überholt und Patchwork-Familien das moderne Ideal seien.
In ihren Augen sind mittlerweile die oft als progressiv angesehenen Werte und Normen in ihrem sozialen Umfeld eher konservativ, da sie von der vorherigen Generation übernommen wurden. Für sie repräsentiert der Bruch mit diesen Traditionen den wahren Fortschritt und die wahre Emanzipation. Dies führt derzeit zu einer konservativen Gegenbewegung, nicht weil alle jungen Menschen konservativ sind, sondern weil sie in diesem Bruch eine freie und progressive Alternative sehen.
Es zeigt sich, dass radikale Veränderungen meist von jungen Menschen vorangetrieben werden, oft zur Bestürzung ihrer Eltern, die sich andere Werte für ihre Kinder gewünscht hätten. Dieses Phänomen ist nicht neu, und die heutige Jugend unterscheidet sich in ihrem Drang nach Selbstbestimmung und Individualität nicht von früheren Generationen.
Kurz gesagt, viele der jüngeren Trends rund um sexuelle und Gender-Identität könnten vielmehr vergängliche Moden als dauerhafte Veränderungen sein. Es bleibt abzuwarten, ob die gegenwärtige Jugend auch in Zukunft ihre politischen Präferenzen beibehält, oder ob sich diese mit der Zeit wieder verschieben.
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