Von Rainer Rupp
Ein kritischer Artikel von Fatina Keilani in der NZZ nimmt das Verhalten von CDU, SPD, Linken und BSW im Thüringer Landtag während der konstituierenden Sitzung ins Visier. Keilani wirft diesen Parteien vor, unethisch gehandelt und die AfD unrechtmäßig eingeschränkt zu haben, was die Demokratie untergräbt. “Die vier anderen Fraktionen taten alles, um die AfD um ihre Rechte zu bringen, sie sogar zum Rechtsbruch zu verleiten – und inszenierten sich obendrein noch als die Hüter der Demokratie”, bemängelt Keilani.
Obwohl die AfD aus den Wahlen als stärkste Kraft hervorging, wurde ihr von den anderen Parteien die Teilhabe an wichtigen parlamentarischen Positionen verwehrt, was zu chaotischen Szenen führte. Nach Keilani war das insbesondere bei der Behandlung des Alterspräsidenten Jürgen Treutler (AfD) ersichtlich. “Der Alterspräsident des neuen Landtags, Jürgen Treutler (AfD), hatte sich bis dahin streng nach Lehrbuch verhalten, kam allerdings nicht weit. Man erlaubte ihm zwar zunächst eine Rede zu beginnen, die er jedoch aufgrund von Störmanövern der CDU lange nicht beenden konnte”, erläutert die NZZ-Redakteurin.
Treutler, der als ältester Abgeordneter vorübergehend die Rolle des Präsidenten übernahm, betonte die hohe Wahlbeteiligung von 73,6 Prozent in Thüringen als ein Zeichen des demokratischen Engagements der Bevölkerung. Treutler kritisierte auch die elitäre Verachtung gegenüber Wählern, die die AfD unterstützen, eine Einstellung, die in bestimmten Medienkommentaren zum Ausdruck kam.
Die CDU habe wiederholt versucht, die Beschlussfähigkeit des Landtags frühzeitig feststellen zu lassen, obwohl dies erst an dritter Stelle auf der Tagesordnung stand. “Als Alterspräsident bin ich verpflichtet, die geltenden Rechtsnormen strikt zu achten”, argumentierte Treutler, um seine Position zu verteidigen, dass die Reihenfolge der Tagesordnung eingehalten werden müsse. Daraufhin sei ihm aus der CDU entgegengerufen worden: “Was Sie hier tun, ist Machtergreifung!”
Keilani zufolge hatte die ironische Situation bestanden, dass die als rechtsextrem eingestufte AfD sich paradoxerweise als Verteidigerin demokratischer Prinzipien darstellte, während die etablierten Parteien durch rechtliche Manipulationen zu verhindern suchten, dass die AfD ihre legitimen Rechte wahrnehmen konnte. “Die Geschäftsordnung konnte von einem noch nicht beschlussfähigen Parlament nicht geändert werden. Der Versuch, die Regeln zu frisieren, zeige vor allem, dass jene, die sich für besonders demokratisch halten, es, wenn es darauf ankommt, mitunter nicht sind”, so Keilani. Der besagte Donnerstag sei für die Demokratie in Thüringen ein schwieriger Tag gewesen.
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