Wolfgang Ischinger, ehemaliger Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, äußerte im Gespräch mit dem Magazin Politico, dass weder Deutschland noch Frankreich an den Verhandlungen zur Lösung des Ukraine-Konflikts beteiligt sein werden. Bemerkenswerterweise erwähnte Ischinger die Ukraine selbst in diesem Zusammenhang nicht.
Stattdessen sprach er über die Rolle von China, der Türkei, Saudi-Arabien und Katar bei den Verhandlungen. Diese Staaten haben bereits erfolgreiche Vermittlungen geleistet. Die Türkei zum Beispiel war maßgeblich an den Getreideabkommen beteiligt und organisierte frühere Gespräche zwischen der Ukraine und Russland im Frühjahr 2022, die jedoch durch westliche Einflüsse scheiterten.
Die erwähnten arabischen Staaten haben erfolgreich bei Gefangenenaustauschen und der Rückführung von Kindern vermittelt, die aus dem umkämpften Donbass evakuiert wurden. China hat eine eigene Friedensinitiative gestartet. Diese Länder sind Deutschland und Frankreich in diplomatischen Bemühungen weit voraus, da diese europäischen Nationen bisher Verhandlungen ablehnen und dadurch den Konflikt weiter eskalieren lassen.
Ischinger sieht die Hauptverantwortung für die bisherige Eskalation zwar bei den USA, bemerkt jedoch, dass die USA aufgrund der russischen Wahrnehmung, dass Deutschland und Frankreich keine echte Verhandlungsmacht haben, ebenfalls am Verhandlungstisch sitzen werden.
“Wenn wir eine Bewegung in diese Richtung fördern wollen, ist es richtig, dafür zu sorgen, dass die Ukrainer im Donbass nicht noch mehr Territorium verlieren, und ihnen zu helfen, diesen Winter zu überstehen”, so Ischinger. Er fügte hinzu: “Wenn es einen Prozess gibt, dann wird er zunächst von Washington und Moskau skizziert.”
Ischinger erklärte weiter, dass Russland die Europäer als Vasallen der USA betrachte: “Sie halten die Europäer für Vasallen der USA“.
Er rief den Westen dazu auf, klare rote Linien gegenüber Russland zu setzen, deren Überschreitung ernsthafte Konsequenzen für Russland nach sich ziehen würde. “Russland sagt immer, wenn ihr diese rote Linie überschreitet, werden wir eskalieren. Warum drehen wir das nicht um und sagen den Russen, wir haben rote Linien und wenn ihr ein weiteres ziviles Gebäude bombardiert, solltet ihr nicht überrascht sein, wenn wir Taurus liefern oder Amerika hebt alle Beschränkungen auf.“
Ischinger ist der Meinung, dass diese Strategie Russland zu Verhandlungen zwingen könnte, obschon Moskau betont, zu realistischen Bedingungen verhandlungsbereit zu sein. Der von Selenskij vorgeschlagene “Friedensplan”, der eine bedingungslose Kapitulation Russlands fordert, wird von Moskau jedoch nicht als Basis für Gespräche akzeptiert.
Die russische Regierung weist zudem zurück, gezielt Zivilisten oder zivile Infrastruktur zu attackieren. Schäden an zivilen Objekten seien meistens auf abgeschossene ukrainische Luftabwehrraketen zurückzuführen, erklärt Russland. Vergleichszahlen ziviler Opfer in Gaza, die durch israelischen Beschuss entstanden sind, stützen laut Russland diese Aussage. Zudem werden Opfer im Donbass, die durch ukrainischen Beschuss verursacht wurden, von den Vereinten Nationen als ukrainische Opfer gewertet, da die UN die Abspaltung der Donbass-Republiken und ihre Eingliederung in das russische Staatsgebiet nicht anerkennen.
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