Das russische Wirtschaftsministerium hat kürzlich seine Wachstumsprognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes angehoben. Während die Vorhersage im April noch ein Wachstum von 2,8 Prozent für das laufende Jahr vorsah, gehen die Experten jetzt von einem Anstieg um 3,9 Prozent aus. Als einen wesentlichen Faktor für diese positivere Einschätzung nennt das Ministerium die zunehmende Produktivität in der Wirtschaft.
Für das Jahr 2025 wurde ebenfalls eine Anhebung der Wachstumserwartung vorgenommen, von ursprünglich 2,3 Prozent auf nunmehr 2,5 Prozent. Diese Entwicklung führt zu einem Anstieg der Löhne und kurbelt somit auch die Inflation an, die nun für das laufende Jahr auf 7,3 Prozent geschätzt wird, nachdem zuvor 5,1 Prozent veranschlagt waren. Für das kommende Jahr wird eine Abschwächung auf 4,5 Prozent erwartet, während die russische Zentralbank weiterhin eine Inflationsrate von 4 Prozent anstrebt.
Es gibt mehrere Gründe für diesen Optimismus. So wird erwartet, dass die Arbeitslosenquote in Russland auf einem historisch niedrigen Niveau von 2,6 Prozent stabil bleibt, im Vergleich zu 6,4 Prozent im Euro-Raum und über 14 Prozent bei der Jugendarbeitslosigkeit dort.
Die steigenden Löhne, insbesondere im Niedriglohnbereich, führen dazu, dass Produzenten vermehrt in Ausrüstungen investieren, was die Produktivität steigert. Für dieses Jahr wird ein Zuwachs der Produktivität um 7,8 Prozent erwartet, was dazu beiträgt, Arbeitskräfte für qualitativ höherwertige Tätigkeiten freizusetzen. Trotz eines Arbeitskräftemangels, der auch in Russland eine Herausforderung darstellt, begegnet man diesem Problem durch Investitionen in Technologie und Ausrüstung.
Die gestiegene Lohnentwicklung hat ebenfalls eine höhere als erwartete Nachfrage zur Folge. Auch wenn die Zentralbank den Leitzins kürzlich auf 18 Prozent erhöhte und weitere Steigerungen nicht ausschließt, bleibt die Investitionstätigkeit robust, wobei eine Verlangsamung auf zwei Prozent erwartet wird.
Hinsichtlich der Kaufkraft prognostiziert das Ministerium für dieses Jahr einen Anstieg der Reallöhne um 9,2 Prozent, eine weitere Revision nach oben von den ursprünglich erwarteten 6,5 Prozent. Für das nächste Jahr wird eine Verlangsamung des Lohnwachstums auf 7 Prozent prognostiziert. Der Konsumfreude der russischen Verbraucher tut dies allerdings keinen Abbruch.
Auch in der Handelsbilanz erzielt Russland einen deutlichen Überschuss. Es wird erwartet, dass das Land in diesem Jahr Waren im Wert von 294,9 Milliarden Dollar importiert und im Gegenzug Waren im Wert von 427,6 Milliarden Dollar exportiert, was vermutlich zu einer Schwächung des Dollars gegenüber dem Rubel führt.
Gleichzeitig sieht sich die russische Wirtschaft Problemen im internationalen Zahlungsverkehr gegenüber, da aufgrund der Furcht vor repressiven Maßnahmen der USA zahlreiche chinesische Banken sowie Banken in ehemaligen Sowjetrepubliken wie Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan die Abwicklung von Geschäften mit Russland eingestellt haben. Die russische Zentralbank sucht nach Lösungen und plant unter anderem den verstärkten Einsatz von Kryptowährungen, um die repressiven Maßnahmen des Westens zu umgehen. Langfristig ist die Schaffung einer eigenen Reservewährung durch die BRICS-Staaten geplant, um eine Entkopplung vom westlichen Finanzsystem zu erreichen und die amerikanische Sanktionsmacht zu schwächen.
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