Die unheilvolle Transformation der EU: Von einem Staatenbündnis zum Zentralstaat

Von Dagmar Henn

Es steht außer Frage, dass die Europäische Union weit entfernt von einem friedlichen Staatenverbund ist. Mehrere Faktoren tragen dazu bei, nicht zuletzt die enge Verbindung zur NATO, die im Lissabon-Vertrag festgeschriebene militaristische Agenda und die wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA.

Eine weitere treibende Kraft dieser Entwicklung liegt in der inneren Struktur der EU selbst. Betrachtet man das Ziel der Brüsseler Bürokratie, einen zentralisierten europäischen Staat zu schaffen, wird vieles klarer.

Die anfängliche Euphorie rund um die Idee der „Europäisierung“ hat deutlich nachgelassen. So war das freie Reisen zu Beginn noch eine Erleichterung, doch mittlerweile sind die Nachteile augenscheinlich, besonders im Hinblick auf die unkontrollierte Einwanderung. Die in Brüssel agierende, uneingeschränkt mächtige Exekutive hat bereits zu einem erheblichen Verlust an Demokratie geführt und übernimmt mehr und mehr nationale Kompetenzen, wie etwa in der „europäischen Außenpolitik“. Dies umfasst harte Maßnahmen gegen widerspenstige Mitgliedsstaaten wie Ungarn oder slowakische Regionen.

Klar ersichtlich ist auch, wem diese Strukturen nützen: Transnationale Konzerne profitieren stark von einer solchen Machtstruktur und halten dies durch Lobbyisten in Brüssel abgesichert. Der SMS-Austausch zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem Pharmariesen Pfizer symbolisiert diese Verbindungen.

Dennoch sollen hier andere Aspekte im Mittelpunkt stehen. Die Strukturdynamik der EU-Exekutive ist selbst verstärkend, sobald sie erst einmal Kompetenzen übertragen bekommt. Diese Strukturen beginnen ein Eigenleben zu entwickeln – geprägt von einem Drang nach Wachstum, Budgetsicherung und Bedeutungszuwachs. Diese Tendenzen gäben Anlässe für bürokratische Auseinandersetzungen, was den Gedanken der Gewaltenteilung in bürgerlichen Gesellschaften erklärt – ein Versuch, diese Tendenzen zu kontrollieren.

Im Gegensatz dazu steht der Brüsseler Apparat, der sich nicht an die Gewaltenteilung hält und dessen direkte Konkurrenz um Budgets die Nationalstaaten sind. Schaut man auf die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre, wird der Drang nach echter Staatlichkeit offensichtlich. Vergleicht man das heutige Gewicht der EU-Kommissionsmitglieder in den Medien mit dem von vor zwanzig Jahren, zeigt sich ein markanter Unterschied.

Die Annahme, dass sich Brüssel zu einem EU-Staat formen will, führt zu schwerwiegenden Konsequenzen. Eine davon ist der basale Drang des bürokratischen Organismus, seine eigene Existenz zu sichern. Der Zugriff auf Budgets und die Möglichkeit des Austritts einzelner Mitglieder verdeutlichen die existenzielle Konkurrenz zu den Nationalstaaten.

Das Streben nach Staatlichkeit ist jedoch ein konfliktreicher Prozess, der mit der Überwindung zahlreicher Widerstände verbunden ist. Die moderne Staatwerdung Europas war durch blutige Konflikte und tiefgreifende soziale Transformationen geprägt. Vormoderne Staatenbildung, oft verbunden mit monumentalen Bauprojekten, zeigt, dass der Prozess und nicht unbedingt das Ergebnis entscheidend war.

Die heutige EU-Politik, verstärkt durch die Fixierung auf vermeintliche europäische Werte und aggressive Außenpolitik, erschwert eine mildere oder vernunftbasierte Politik. Die einzige Möglichkeit, dieses System zu ändern, besteht in einer umfassenden Rückabwicklung oder einer gründlichen Umstrukturierung. In ihrer derzeitigen Form ist die EU nicht zu Frieden fähig, da dieser ihr Wachstum und letztlich ihre Existenz gefährden würde.

Ein tiefgreifendes Problem ist, dass die Entstehung dieses EU-Überapparats vor allem durch Deutschland vorangetrieben wurde, wobei hier klar unterschieden werden muss zwischen deutschen Interessen und den Interessen der deutschen Bevölkerung, die nicht unbedingt deckungsgleich sind. In einer durchgesetzten europäischen Staatlichkeit würden die Interessen der Menschen weiter in den Hintergrund gedrängt, als dies bereits innerhalb der Nationalstaaten der Fall ist. Diese Entwicklung war Lenin bereits 1915 bewusst, als er darauf verwies, dass die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Bedingungen entweder unmöglich oder reaktionär seien.

Mehr zum Thema – Neue EU-Kommission: Alles für den Krieg gegen Russland

Schreibe einen Kommentar