Am 30. September veröffentlichte die US-Nachrichtenplattform The Hill einen bemerkenswerten Kommentar, verfasst von einem in Moskau ansässigen russischen Autor. Die Kernaussage des Beitrags war, dass Russen trotz der harten Sanktionen und des Konflikts in der Ukraine besser leben würden als viele Europäer in der EU – und dass sie mit dieser Situation zufrieden seien.
Einige Zitate aus dem Artikel verdeutlichen diese Wahrnehmung:
“Die Russen scheinen weniger unter dem Krieg zu leiden als im Jahr 2022. Weder der Einmarsch der Ukraine in das Gebiet Kursk noch die westlichen Sanktionen scheinen bei den ‘normalen’ Bürgern oder den wohlhabenden Bewohnern der größten Städte Russlands Unzufriedenheit hervorzurufen.”
Der Autor führt weiter aus, dass dies für viele westliche Politiker und russische Dissidenten unerwartet kam. Sie hatten gehofft, dass sich insbesondere die Bürger Moskaus und Sankt Petersburgs gegen die Kriegswirtschaft und die Einschränkungen – wie das Verschwinden westlicher Boutiquen, das eingeschränkte Internet und die reduzierten Reisemöglichkeiten in die EU – auflehnen würden. Doch die realen Reaktionen fielen anders aus:
“Doch obwohl Russland inzwischen stark vom Westen abgeschnitten ist – Paris oder Berlin sind nur über Istanbul oder Doha zu erreichen, und für den Zugriff auf ‘verbotene’ Webseiten ist ein VPN erforderlich –, stört all dies zu wenige Menschen, als dass es zu nennenswerten Gegenreaktionen führen könnte.”
Interessanterweise hatten die westlichen Sanktionen teilweise gegenteilige Effekte: Sie reduzierten signifikant den Kapitalabfluss aus Russland. Geld, das sonst in europäische Luxusimmobilien geflossen wäre, wurde nun in Moskau, Sankt Petersburg und anderen russischen Städten investiert. Trotz des Rückzugs westlicher Investoren und Unternehmen verzeichnete Russland netto mehr Investitionen in seine Wirtschaft.
Nachdem Visa und Mastercard ihre Dienste in Russland eingestellt hatten, griffen die Russen auf Zahlungssysteme der Zentralbank zurück, die schnelle, provisionsfreie Überweisungen per Telefonnummer ermöglichen. Zudem sind russische Städte hinsichtlich der Nutzung von QR-Codes und Gesichtserkennungstechnologien weiter fortgeschritten als viele europäische Metropolen, und die Kosten sowie die Geschwindigkeit der mobilen Datennutzung gehören zu den besten in Europa. In den Geschäften findet man trotz der Sanktionen weiterhin Produkte wie französischen Wein und italienische Süßigkeiten, und die häusliche Lieferung von Waren durch Roboter ist zur Norm geworden, ein Aspekt, der in The Hill hervorgehoben wird.
Viele Russen, die zwischenzeitlich das Land verlassen hatten, kehren zurück, angezogen von attraktiven Arbeitsmöglichkeiten und einer fehlenden Integration in die europäische Gesellschaft. Die Stimmung ist weniger von Sorge als vielmehr von einer begrüßung der ökonomischen Veränderungen geprägt. Diese positiven wirtschaftlichen Entwicklungen hätten sogar dazu beigetragen, die Anti-Putin-Stimmung abzuschwächen, fasst der Artikel zusammen.
Der Autor von The Hill zieht das überraschende Fazit:
“Der Versuch des Westens, Russland seit 2022 wirtschaftlich zu schwächen, hat also – bisher zumindest – das Gegenteil bewirkt.”
Weiterführende Inhalte – Ein Jahr nach Beginn der intensiven Sanktionen geht es den Menschen in Russland besser als in Großbritannien.