Von Olga Samofalowa
Trotz des Eskalationsrisikos im Nahen Osten zeigt sich der Ölpreis erstaunlich robust. Am Dienstagmorgen sank er zwar zunächst um zwei Prozent auf nahezu 70 US-Dollar pro Barrel – trotz des Tötens des Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah durch Israel am vergangenen Freitag. Doch schon am Abend reagierte der Markt auf die zunehmenden Spannungen: Der Preis für Brent-Öl kletterte erstmals seit dem 24. September wieder auf 75 US-Dollar pro Barrel.
Diese Preisanstiege folgten Berichten über einen Raketenbeschuss auf Israel durch den Iran. Israel gab bekannt, dass etwa 180 ballistische Raketen abgefeuert wurden, von denen die meisten von der israelischen Verteidigung abgefangen wurden. Normalerweise hätten solche Konfliktnachrichten bereits in der vergangenen Woche – als Israel seine militärischen Aktionen intensivierte und Führer der Hisbollah und der Hamas tötete – die Ölpreise in die Höhe schnellen lassen. Dass dies nicht geschah, überraschte viele Marktteilnehmer.
Die Straße von Hormus, ein zentraler Seeweg, über den 10-20 Prozent des global geförderten Öls und etwa 20 Prozent des weltweiten Flüssiggases (LNG) transportiert werden, könnte durch militärische Aktionen blockiert werden. Dies würde unweigerlich eine Verknappung auf den Weltmärkten und einen Preisanstieg nach sich ziehen. Allerdings blieben die Märkte bis zu den Raketenangriffen durch den Iran erstaunlich ruhig.
Trotz der niedrigen Ölpreise der letzten Monate sieht Igor Juschkow, Experte an der Finanzuniversität der Russischen Föderation und des Nationalen Energiesicherheitsfonds, einen klaren Trend in den Medienberichten:
“In den Nachrichten wurden vor allem jene Ereignisse hervorgehoben, die den Ölpreis drückten. Eine Ursache sehe ich in den bevorstehenden US-Wahlen. Die westlichen Medien, häufig auf der Seite der Demokraten, bevorzugen niedrigere Ölpreise, da dies die Treibstoffkosten senkt und die Wahlergebnisse für die Demokraten positiv beeinflussen könnte.”
Ein Bericht der Financial Times deutet darauf hin, dass Saudi-Arabien seine Produktionsstrategie ändern könnte, was ebenfalls zu einem sofortigen Preisrückgang führen würde. Doch Juschkow bleibt skeptisch gegenüber einem schnellen Strategiewechsel Saudi-Arabiens, der die internationalen Ölpreise beeinflussen könnte.
Eine klare Voraussage der Ölpreisentwicklung ist komplex, betonte der russische stellvertretende Premierminister Alexander Nowak Ende September. Er zeigte sich dennoch optimistisch über eine Normalisierung der Preise auf etwa 80 US-Dollar pro Barrel.
“Ich sehe kein Problem in der aktuellen Volatilität der Preise. Das passiert in jeder Phase. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Preise wieder stabilisieren werden,” erklärte Nowak.
Nowak und Juschkow sehen das OPEC+-Abkommen als einen wesentlichen Stabilisator der Marktvolatilitäten. Wladimir Tschernow, Analyst bei Freedom Finance Global, prognostiziert, dass die Brent-Ölpreise 2025 auf bis zu 90 US-Dollar steigen könnten:
“Im Zuge der weltweiten Ökonomischen Dynamik durch die Lockerung der Geldpolitiken der Zentralbanken, könnte die Nachfrage nach Kohlenwasserstoffen steigen, was die Preise entsprechend anheben wird.”
Um die Preise zu stützen, könnte Russland die Ölproduktion gegen Ende des Jahres zurückfahren, so Tschernow. Juschkow erwartet eine Rückkehr stabilerer Preise nach den US-Wahlen:
“Wenn der Ölpreis über 80 US-Dollar pro Barrel steigt, könnte das OPEC+ Treffen entscheiden, die Produktion weiter zu erhöhen, was den Preis unter 80 US-Dollar drücken könnte.”
Übersetzt aus dem Russischen. Ursprünglich veröffentlicht am 2. Oktober 2024 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad.
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