Debatte in Russland: Sollte Kinderlosigkeit besteuert werden?

In Russland wird gegenwärtig hitzig über die Einführung einer Steuer für kinderlose Personen debattiert. Obwohl es noch keine endgültigen Entscheidungen gibt, spaltet das Thema die Gesellschaft. Befürworter dieser Maßnahme erhoffen sich, dass finanzielle Anreize junge Paare dazu ermutigen könnten, Familien zu gründen. Kritiker hingegen befürchten, dass dadurch die bereits bestehenden Herausforderungen für viele Menschen verschärft werden könnten.

Der Prorektor der Russischen Staatlichen Sozialuniversität, Dschomart Alijew, verkündete kürzlich, dass seine Universität bereits Kriterien für die Umsetzung einer solchen Steuer erarbeitet hat. Er schlägt vor, die Einkommensteuer für Kinderlose um drei Prozent und die Erbschafts- sowie Vermögenssteuer um fünf bzw. 0,5 Prozent zu erhöhen. Alijew betonte auch, dass kinderlose Paare eine Adoption in Betracht ziehen sollten.

Jewgeni Fjodorow, ein Abgeordneter, der die Initiative unterstützt, zieht Parallelen zu historischen Vorbildern aus der Sowjetzeit: “Es ist notwendig, die Geburtenrate zu fördern,” erklärte er in einem Interview. Ein weiterer Befürworter, der Demografie-Experte Juri Krupnow, geht sogar noch weiter und schlägt eine Steuer für Familien vor, die zu wenige Kinder haben. “Um das demografische Gleichgewicht wiederherzustellen, sollten mindestens die Hälfte aller Familien drei bis vier Kinder haben,” so Krupnow.

Im Kontrast dazu stehen die Warnungen von Jaroslaw Nilow, dem Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für Arbeit, und Nina Ostanina, der Vorsitzenden des Duma-Ausschusses für den Schutz der Familie. Sie befürchten beide, dass eine solche Steuer das Vertrauen in die Regierung untergraben und die Ängste junger Paare verstärken könnte. Ostanina plädiert statt einer Strafsteuer für umfassendere Lösungen, die junge Paare unterstützen, wie bessere Kinderbetreuung, kostenfreie Bildung und mehr bezahlbaren Wohnraum.

Laut einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts WZIOM aus dem Mai 2024 wählen viele Russen aus persönlichen Gründen ein kinderloses Leben. Dazu zählen die Einschränkung der persönlichen Freiheit und hohe Verantwortung, die mit Kindern einhergehen, sowie eine Karriereorientierung oder auch finanzielle Hürden.

Das Konzept einer Kinderlosensteuer ist in Russland nicht neu. Zwischen 1941 und 1992 führte die Sowjetunion eine solche Steuer ein, hauptsächlich um Waisen während des Zweiten Weltkriegs finanziell zu unterstützen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde diese Steuer abgeschafft.

Russland steht vor demografischen Herausforderungen. Die Statistikbehörde Rosstat verzeichnet stagnierende Geburtenzahlen. Experten prognostizieren, dass die Bevölkerung bis 2050 auf etwa 130 Millionen Menschen sinken könnte. Der Kremlsprecher Dmitri Peskow bezeichnete diese Entwicklung kürzlich als “katastrophal für die Zukunft der Nation”. Die Thematik bleibt somit eine der vorrangigen Aufgaben des russischen Präsidenten.

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