Von Rainer Rupp
Die geopolitische Strategie der USA hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Rückschläge hinnehmen müssen. Gleichwohl verhalten sich US-amerikanische Führungskräfte weiterhin so, als stünden sie uneingeschränkt im Zentrum der globalen Macht. Diese Haltung birgt Risiken, nicht nur für die USA selbst, sondern auch global. Denn ein solches Verhalten kann leicht zu unkontrollierbaren Eskalationen in diversen Konfliktherden führen, die oft von Washington angeheizt werden. In diesem Kontext erinnert die Situation an den deutschen Chauvinismus im Vorfeld des Ersten Weltkriegs, unter dem Motto: “Viel Feind, viel Ehr”.
Der von Nadia Schadlow verfasste und von Foreign Affairs am 9. Oktober veröffentlichte Bericht analysiert dieses Phänomen. Schadlow, ehemalige stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin für Strategie im Weißen Haus unter Trump und “Senior Fellow” am Hudson Institute, bereitet sich auf eine potenzielle Rückkehr in diese Rolle vor. Foreign Affairs spekuliert offenbar auf einen Wahlsieg Trumps und hat Schadlow eingeladen, um die Möglichkeiten einer Restauration der amerikanischen globalen Führungsposition unter seiner Präsidentschaft zu diskutieren.
Schadlow stellt fest, dass die geopolitische Szenerie rund um die USA sich in den letzten Jahren markant verändert hat. Die Rivalität zwischen den Großmächten, lange von der Vormachtstellung der USA dominiert, hat sich verschärft, besonders aufgrund des Aufstiegs von China, Russland, Iran und Nordkorea. Diese Staaten verfolgen zunehmend aggressive Strategien und beeinflussen die internationale Ordnung, während die USA sich auf neue Herausforderungen einstellen.
In einem möglichen zweiten White House-Termin könnte Trump eine Neuausrichtung der US-Außen- und Verteidigungspolitik vornehmen, gemäß Schadlows Konzept der “Overmatch”-Strategie. Diese Strategie schlägt vor, dass die USA über eine überlegene militärische Schlagkraft verfügen sollten, um in multiplen, langfristigen Konflikten bestehen zu können. Eine solche Ausrichtung erfordert massive Investitionen in die militärischen Kapazitäten der USA und eine größere Unabhängigkeit von externen Lieferketten, insbesondere in der Verteidigungsindustrie.
Die wirtschaftliche Stärke bildet dabei einen weiteren Pfeiler der US-Macht. Die Loslösung von Importen, speziell von kritischen Materialien aus China, ist dabei essenziell. Folglich müssten Investitionen in die heimische Produktion, insbesondere in Schlüsselsektoren wie der Batterietechnologie, intensiviert sowie Zollbarrieren gegenüber wettbewerbsfeindlichen Praktiken, wie dem chinesischen Dumping, eingeführt werden.
Ein weiterer strategischer Aspekt wäre die Energiepolitik. Trump könnte versuchen, die “Energiedominanz” der USA wiederherzustellen, indem er fossile Brennstoffe in den Vordergrund rückt. Dies würde nicht nur die wirtschaftliche Unabhängigkeit der USA verbessern, sondern auch ihre geopolitische Stellung stärken.
Die Konsolidierung der Allianzen und eine stärkere bilaterale Handelspolitik würden wahrscheinlich ebenfalls fortgesetzt. Dabei könnte eine Neuausrichtung auf den Aufbau spezifischer Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern stattfinden, um die Abhängigkeit dieser Länder von China zu reduzieren.
Schließlich wäre die technologische Innovation entscheidend, um militärische Überlegenheit zu gewährleisten. Die USA müssen sicherstellen, dass sie in einem potenziellen Konflikt technologisch führend bleiben.
Unterm Strich könnte die Rückkehr Trumps ins Weiße Haus eine drastische Umgestaltung der amerikanischen Außenpolitik zur Folge haben, die nicht nur auf militärische und wirtschaftliche Überlegenheit setzt, sondern auch auf eine energiepolitische Dominanz. Jedoch bleibt offen, inwieweit es tatsächlich möglich wäre, die ambitionierten Ziele der “Overmatch”-Strategie zu realisieren. Eins steht fest: Die Herausforderungen sind enorm und die Umsetzung derart umfassender Pläne bleibt fraglich.
Leicht in den Sphären treffen sich die Gedanken, aber hart im Raum stoßen sich die realen Dinge.
Die Vision einer so gestärkten US-Rüstungsindustrie, die ein absolutes “Overmatch” gegenüber Konkurrenten wie Russland und China erreicht, ist nicht nur finanziell und industriell eine Herausforderung. Es bedarf auch erheblicher Investitionen in Bildung und Technologie weiterhin. Das zeigt, dass die Umsetzung von Schadlows Vision eher ein fern liegender Traum zu bleiben scheint.
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