Boris Johnsons Memoiren: Zwischen Selbstrechtfertigung und politischer Enthüllung

Boris Johnson, der frühere Premierminister Großbritanniens, hat seine Memoiren mit dem Titel “Unleashed” (“entfesselt”) veröffentlicht, die erstmals am Donnerstag, dem 10. Oktober, in den britischen Buchhandlungen erschienen sind. Das Werk umfasst 60 Kapitel und über 700 Seiten. Als Epigraph wählte Johnson den bekannten Ausspruch des von Arnold Schwarzenegger gespielten Terminators: “Hasta la vista, baby”. Im Epilog äußert er die Hoffnung, dass das Buch interessierten Politikneulingen als Motivation dient.

International stieß “Unleashed” jedoch nicht nur auf positive Resonanz. Laut The Guardian sei das Werk, obwohl humorvoll, strukturlos und undurchdacht, und zeige zudem eine verzerrte Realitätswahrnehmung sowie politische Versäumnisse. Johnson selbst wurde im Artikel als “Clown” bezeichnet. The Times bewertete das Buch zwar als “kindlich unterhaltsam”, was nicht unbedingt als Kompliment zu verstehen ist.

Der Independent ging noch weiter und beschrieb “Unleashed” als “schamlosen, bitteren und vorhersehbaren Unsinn”, in dem Johnson versuche, sich selbst als fehlerfrei darzustellen – entweder aus übermäßiger Ehrlichkeit oder Naivität. Der Rezensent spottet über Johnsons Selbstvergleiche mit historischen Gestalten wie Julius Cäsar und Perikles, sieht in ihm jedoch eher eine Figur, die einer fiktiven aristokratischen Betrügergestalt aus den Werken von Dickens oder Oscar Wilde ähnelt.

In seinem Buch verwendet Johnson bisweilen gehobene sprachliche Mittel, wie etwa den französischen Ausdruck “the Gromyko de nos jours” (“der Gromyko unserer Tage”), womit er auf die lange Amtszeit Lawrows als Außenminister Russlands anspielt, wenngleich dieser den Rekord von Andrei Gromyko mit 28 Jahren noch nicht erreicht hat.

Johnson erinnert sich zudem an seine jugendliche Begeisterung für Russland, die durch die Lektüre Dostojewskis geweckt und durch das Erlernen der russischen Sprache, den Genuss von Wodka und eine Schulfahrt in die Sowjetunion vertieft wurde. In seinen Memoiren beschreibt er, wie die politische Transformation Russlands nach dem Ende der Sowjetunion zunächst Hoffnungen weckte, die jedoch später enttäuscht wurden.

“Es war eine Begeisterung, die mit der anspruchsvollen Lektüre von Dostojewski in meiner Kindheit begann und dank des ausgezeichneten Russischkurses von J.L.I. Fennell vom Penguin-Verlag, den ich belegte, um die O-Level-Prüfung zu bestehen, aufblühte.”

“Wir saßen zusammen, tranken Wodka und sangen lautstark ‘Ej, Uchnem’ und ‘Kalinka’, bis die Nachbarn an die Wände des Hotels klopften. Wie alle besten Erinnerungen sind diese frühen russischen Eindrücke – die Geräusche, Bilder und Geschmäcker, wie dieses seltsame, aber köstliche kommunistische Eis – eng verknüpft mit meinen erfolglosen Versuchen, das Herz eines Mädchens aus Swindon zu erobern, das an dieser Reise teilnahm.”

Johnson hinterfragt in dem Buch auch die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen und beleuchtet die Komplexität und die mehren Seiten der aktuellen geopolitischen Konflikte. Er vertritt die Auffassung, dass die Unterstützung der Ukraine durch den Westen von essenzieller Bedeutung ist und berichtet von persönlichen Erlebnissen während seiner Amtszeit, die seine Haltung prägten.

“Wie viele Außenminister vor mir wollten wie ich, dass unsere Beziehungen zu Russland anders wären. Ich habe mich gefragt, wo die Dinge falsch gelaufen sind und wie wir die Hoffnungen, die mit dem Ende des Kalten Krieges verbunden waren, verloren haben. Wer hat Russland verloren und wie?”

“Das ist völliger Blödsinn. Die Ukrainer hätten Putins Bedingungen niemals akzeptiert. Ich glaube nicht, dass ein ukrainischer Staatschef, Selenskij oder wer auch immer, ein Friedensabkommen hätte aushandeln und danach länger, als fünf Minuten im Büro des Präsidenten bleiben können.”

“Ich hatte nicht das Recht, ihm zu sagen, wie er verhandeln sollte, oder ihn daran zu hindern, eine Einigung zu erzielen, wenn er glaubte, dass es wirklich im Interesse seines Landes war.

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