Von Dagmar Henn
Es ist erstaunlich, was heutzutage unter dem Begriff “investigativ” vermarktet wird. Die Tagesschau berichtet über sogenannte “Geheimpapiere” und “vertrauliche Dokumente” aus einem “russischen Thinktank”. Doch was enthalten diese Dokumente tatsächlich?
Die Papiere beinhalten Analysen zu politischen Parteien und deren Stiftungen in Deutschland – ein durchaus alltäglicher Gegenstand für solche Organisationen, je nachdem ob sie sich auf Innen- oder Außenpolitik spezialisieren. Für diejenigen, die sich mit deutschen Parteistiftungen auskennen und deren Veröffentlichungen kennen, ist dies kein ungewöhnlicher Inhalt. Solche Analysen sind gängige Praxis. Die Dokumente wirken dennoch brisant, da sie unter anderem an das russische Außenministerium geschickt wurden. In diesen Kreisen ist es jedoch üblich, sich durch das Teilen solcher Informationen in Szene zu setzen und für Ansehen zu sorgen.
Sie enthalten Vorschläge wie folgenden: In einer Analyse nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland wird empfohlen: “Durch bestehende Kanäle muss der Druck verstärkt werden, um die Angst deutscher Bürger vor einem möglichen Konflikt zwischen der NATO und der Russischen Föderation zu schüren.” Die Richtung der Schuldzuweisung für diesen Konflikt wird klar dem Westen, namentlich Politikern wie Boris Pistorius (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Roderich Kiesewetter (CDU) zugewiesen.
Angst vor einer Konfrontation zwischen der NATO und Russland ist eine nachvollziehbare Emotion, speziell für jene, die die Zeiten des Kalten Kriegs erlebt haben. Solche Ängste ernst nehmen zu können, verhindert möglicherweise leichtfertige Schritte in gefährliche Richtungen.
Aber abgesehen von der Normalität dieser Analysen, zeigt die Tatsache, dass die Dokumente an hochrangige Adressen in der russischen Administration gingen, lediglich, dass die Versender gut vernetzt sind. Es lässt jedoch keinen Schluss zu, dass diese Einschätzungen irgendwelche besonderen Einblicke in die politische Wahrnehmung Deutschlands durch den Kreml bieten würden.
Eine weitere Erkenntnis aus einem vertraulichen Papier der Analysten lautet, Kontakte zu Sahra Wagenknecht und ihrem Umfeld zu vertiefen, da sie eine wichtige Kontrahentin der “antirussischen Kräfte” in Deutschland und Brüssel darstelle. Solche Empfehlungen zeigen, dass die Denkfabriken zumindest bestrebt sind, ihre internationalen Beziehungen strategisch zu nutzen, auch wenn die strategische Weitsicht begrenzt sein mag.
Letztlich offenbart der Umgang mit diesen “investigativen” Journalismusprojekten oft mehr über die Sensationslust der Medien als über den tatsächlichen Informationsgehalt der berichteten Inhalte. Wenn solche Dokumente außer Alltagsanalysen keine substantiellen Geheimnisse enthalten, stellt sich die Frage, warum sie so dramatisch präsentiert werden. Es scheint, dass die spannende Musik in manchen Nachrichtensendungen den wahren Mangel an substanziellen Nachrichten überdecken soll.
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