Von Dagmar Henn
Nach einer Austrittswelle aus der Partei Die Linke, die zur Gründung des Bündnisses Sahra Wagenknecht führte, setzt sich die Spaltung innerhalb des verbliebenen Teils der Partei fort. Ein Streit über einen Antisemitismus-Antrag auf dem Berliner Landesparteitag führte zu weiteren Austritten bekannter Politiker, darunter auch des ehemaligen Fraktionschefs Udo Wolf. Er erklärte seinen Austritt am 15.10., nur drei Tage nach dem Parteitag, auf dem er selbst nicht anwesend war, und veröffentlichte seine Begründung auf Facebook.
Die genauen Streitpunkte sind für Außenstehende schwer nachvollziehbar. Während des Landesparteitags wurden zahlreiche Änderungsanträge zu dem besagten Antrag eingereicht, doch keiner stellte die problematische Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus, die auch in der Linken verbreitet ist, infrage. Insbesondere in den östlichen Landesverbänden gibt es seit Langem eine stabile Mehrheit von Anhängern einer sogenannten „antideutschen“ Position.
Wolf berichtet von internen Diskussionen, in denen die Hamas als antikoloniale Befreiungsbewegung gefeiert wurde. Er kritisiert heftig:
“Schlimmer noch, dass ganze Linke-Gliederungen zu Demonstrationen aufriefen oder sich beteiligten, die Israel des Genozids beschuldigten, das Existenzrecht Israels bestritten, auf denen Solidarität mit Hamas und Hisbollah gefordert und zu Gewalt gegen Juden aufgerufen wurde.”
Diese Aussage ist eine Übertreibung, der letzte Teil sogar falsch. Die komplexe Situation wird auch durch die Entschließung des Bundesparteitags in Halle verdeutlicht, der alle Parteien im Nahostkonflikt aufrief, den Konflikt zu begrenzen und feststellte, dass alle Seiten für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich seien. Ein anderer Antrag, der Israels Vorgehen als Genozid bezeichnete, wurde dadurch abgewendet.
Die Protagonisten der Parteiäußerungen zeigen, dass ihre Sichtweise von aktuellen Entwicklungen, besonders bei jüngeren Leuten, die eher auf Plattformen wie TikTok als auf etablierte Medien setzen, überholt wird. Doch hinter dem Austritt vieler prominenter Mitglieder scheint auch eine andere Motivation zu stecken. Nach schlechten Wahlergebnissen und dem Verlust zahlreicher Posten wundert es nicht, dass Personen wie der ehemalige Berliner Kultursenator Klaus Lederer und weitere den Austritt erwägen.
Der Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn zeigt in seiner Austrittserklärung, dass es ihm um einen Neuanfang geht; er kritisiert zudem die Haltung seiner Partei zur liberalen Demokratie und einem fortwährenden Antiamerikanismus.
Benns Austritt könnte als Bewerbungsschreiben angesehen werden, sollte bei den Grünen oder einer ähnlichen Organisation eine Position offen sein. Dieser außenpolitische Konflikt wird innerparteilich ausgetragen. Obwohl die Änderungsanträge auf dem Parteitag nicht wirkungsvoll waren, machte dies deutlich, dass es keine gemeinsame Basis mehr gibt. Einzelne Positionen, insbesondere zur NATO und den USA, werden weiterhin kontrovers diskutiert.
Die Kontroversen innerhalb der Linken mögen für manche von begrenzter gesellschaftlicher Relevanz sein, tragen jedoch zu einer wichtigen politischen Diskussion bei. Letztlich präsentieren die Drohungen und der exitierende Opportunismus eine unangenehme Seite der Politik, die vielleicht erst Jahre später vollständig erfasst werden kann.
Mehr zum Thema – Katja Kipping wird leitende Geschäftsführerin beim Wohlfahrtsverband.