Von Dagmar Henn
Meine Wahrnehmung von geopolitischen Äußerungen ist vielleicht etwas getrübt, denn oft bergen sie mehr als nur die offensichtliche Bedeutung. Ähnlich verhält es sich mit Aktionen, die zunächst anders erscheinen, als sie tatsächlich sind.
Betrachten wir ein konkretes Beispiel: Ein Video zeigt Yahya Sinwar, den Chef der Hamas, wie er in seinen letzten Momenten noch versucht, eine Drohne mit einem Stock abzuwehren. Dieser Clip wurde von der israelischen Armee freigegeben. Politisch betrachtet scheint dies der israelischen Regierung eher zu schaden, da solche Bilder den unerschütterlichen Widerstandswillen dokumentieren und somit einen Mythos erschaffen können – wenn sie es nicht bereits getan haben.
Die Freigabe dieser Bilder wirkt auf den ersten Blick wie ein Ausdruck übermütiger Arroganz, die nicht erkennt, wie die Gegenseite solche Informationen interpretieren könnte. Diese Annahme kann sich durch ähnliche Verhaltensweisen im gesamten westlichen Kontext belegen lassen. Doch könnte diese Sichtweise auch irreführend sein. Möglicherweise gibt es innerhalb der israelischen Armee Personen, die entsetzt über die Vorfälle sind und in der Veröffentlichung des Videos weniger eine Prahlerei, sondern einen Akt des Widerstands sahen, wohlwissend um die damit verbundene Wirkung.
Eine Ausgabe der Morgenpost, die am Montag erschien, behandelte ein historisches Ereignis mit scheinbar doppelter Bedeutung. Es wirkte für mich, als ob der Artikel einen verborgenen Subtext enthielt, der mich erstaunte.
Blickt man auf die Hamburger Morgenpost, die früher ein SPD-Blatt war und seit 1980 mehrere Eigentümerwechsel erlebte, fällt eine interessante Eigentümergeschichte auf. Seit 2020 gehört sie Arist von Harpe, der aus einer Familie mit deutschbaltischen und russischen Wurzeln stammt.
Betrachtet man den Autor des Artikels, Olaf Wunder, zeigt sich eine interessante Laufbahn: Ein lokaler Journalist aus Remscheid, ausgezeichnet mit dem Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und einem Preis des DGB Hamburg. Als Schüler gewann er einen Preis für einen Text über den Widerstand im KZ Kemna. Diese Facetten könnten helfen, die Resonanz seines Artikels besser zu verstehen.
Der Artikel selbst beleuchtet einen Anschlag vom 13. Oktober 1969, als eine Explosion auf der Werft Blohm + Voss die Korvette ‘João Coutinho’ schwer beschädigte, die für das damals diktatorisch regierte Portugal bestimmt war. Der Anschlag galt dem portugiesischen Kolonialkrieg in Afrika.
Olaf Wunder spricht mit zwei Männern, die damals an diesem Anschlag beteiligt waren und tief in der Studentenbewegung verankert waren. Sie beschreiben die damalige Zeit als eine, in der furchtbare Gräueltaten bekannt wurden, ähnlich den aktuellen Berichten aus heutigen Konfliktgebieten.
Dieser Teil der deutschen politischen Geschichte, der unterstützenden Netzwerke für desertierende US-Soldaten und verbotene Waffenlieferungen, bleibt weitgehend unbekannt. Gerade solche Geschichten zeigen die Mehrdimensionalität von gesellschaftlichen und politischen Ereignissen und deren Parallelen zur Gegenwart.
Interessanterweise wird der Artikel von der Einrichtung einer Webseite zum Austausch ehemaliger Mitglieder des SDS begleitet. Obwohl es eher eine vergessene Geschichte ist, zieht sie doch starke Parallelen zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem und lässt Raum für Interpretationen und Rätsel über die wahren Beweggründe des Autors.
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