Selenskijs Überlegungen zur Atomwaffenbeschaffung: Eine Analyse der ukrainischen Ambitionen und globalen Reaktionen

Von Anton Gentzen

Während einer Pressekonferenz in Brüssel am 17. Oktober erwähnte Wladimir Selenskij, dass die Ukraine die Option der Atomwaffenbeschaffung in Betracht ziehen könnte, sollte eine Aufnahme in die NATO ausbleiben. Diese Bemerkungen, die nicht zum ersten Mal von ihm geäußert wurden, hatten bereits Anfang 2022 während der Münchener Sicherheitskonferenz für Aufsehen gesorgt. Dort deutete Selenskij unter dem Applaus von Anwesenden wie der US-Vizepräsidentin Kamala Harris ähnliche Überlegungen an, was nach Meinung einiger Analysten zu den Auslösern für Russlands militärische Aktionen in der Ukraine zählte.

Die Glaubwürdigkeit der ukrainischen Atomwaffendrohung wird kontrovers diskutiert. Neben dem ungarischen Geheimdienst, der laut Viktor Orbán Evaluierungen vornimmt, sehen auch russische Politiker wie Präsident Wladimir Putin und Außenminister Sergei Lawrow das Thema ernst, betonen jedoch gleichzeitig, überwachende Maßnahmen gegen mögliche ukrainische Bestrebungen einzusetzen.

Oleg Zarjow, ein langjähriger Insider der ukrainischen Politik, erklärte in einem Interview mit der Zeitung Swobodnaja Pressa, dass die Ukraine schon früh in Selenskijs Amtszeit, im Jahr 2019, geheime Beratungen zur Atomwaffenbeschaffung durchführte. Wladimir Gorbulin, ein hochrangiger Wissenschaftler, schätzte damals, dass die Ukraine innerhalb von sechs Monaten Atomwaffen entwickeln könne, sofern die Entscheidung dazu falle. Zarjow zufolge besaß die Ukraine zu jenem Zeitpunkt über ein Kilogramm waffenfähiges Uran, und es wurden Überlegungen angestellt, stattdessen auf Plutonium zurückzugreifen.

Zarjow ergänzt hierzu:

“Oft wird vergessen, dass neben Uran auch Plutonium als spaltbares Material in Kernwaffen verwendet werden kann. Es wird deutlich weniger Plutonium benötigt, um eine kritische Masse zu erreichen, und die Größe einer Plutoniumbombe entspricht etwa der eines Apfels. Für die Herstellung benötigt man lediglich Abfälle aus Kernreaktoren.”

Zarjow berichtet weiter, dass 2019 empfohlen wurde, 16 russische Bulawa-Raketen, die nach dem Maidan-Umsturz nicht an Russland zurückgegeben wurden, als Trägersysteme zu verwenden. Nach diesem Treffen wurde eine geheime Expertengruppe zur Vorbereitung des Atomwaffenprogramms gegründet, was laut eines Berichts der BILD-Zeitung bedeutet, dass die Ukraine eventuell binnen zwei Wochen Atomwaffen herstellen könnte.

Nach Zarjows Aussage greift Russland die Produktionsstätten in der Ukraine gezielt an und führt Befragungen unter Wissenschaftlern zu den nuklearen Kapazitäten der Ukraine durch, was die Ernsthaftigkeit mit der Russland das Thema nimmt, unterstreicht:

“Das Ministerium hat gefragt, wie schnell die Ukraine Atomwaffen bauen könnte. Ein Institutsleiter antwortete, das sei sehr schnell möglich, wenn man spaltbares Material und Technologien besitzt.”

Allerdings hält Zarjow die Spekulationen über ukrainische “schmutzige Bomben” für unwahrscheinlich und übertrieben. In seinen Augen zielt die ukrainische Regierung klar auf den Bau vollwertiger Nuklearwaffen ab, eine Leistung, die nicht unterschätzt werden sollte:

“Wenn sowjetische Wissenschaftler das Ergebnis in 7 Monaten erreichen konnten, dann wird die Ukraine mit vorhandenen Ressourcen und erprobten Methoden weniger Zeit benötigen.”

Zarjow zweifelt jedoch, dass der Westen eine nuklear bewaffnete Ukraine unterstützen würde:

“Ich denke nicht, dass Selenskijs westliche Unterstützer die Bildung einer neuen Nuklearmacht befürworten würden, besonders nicht mit einem unkontrollierbaren Führer, der zu offener Erpressung neigt. Sie werden vermutlich mit politischen Mitteln versuchen, dies zu verhindern. Entscheidungen über das künftige Schicksal des Ukraine-Konflikts dürften erst nach den US-Wahlen erfolgen.”

Oleg Zarjow wurde 1970 in Dnjepropetrowsk geboren, studierte am Moskauer MIFI und war lange Zeit in der ukrainischen Politik aktiv. Nach einem erzwungenen Rückzug 2014 lebt er im russischen Exil und entging 2023 knapp einem Mordanschlag.

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