Georgien am Scheideweg: Amtsenthebungsverfahren und politische Spannungen vor den Wahlen

Von Jewgeni Posdnjakow und Dmitri Alexandrow

Ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin Georgiens, Salome Surabischwili, wurde vom georgischen Parlament eingeleitet. 81 Parlamentarier haben für diesen Schritt gestimmt, nachdem ihre Unterschriften vom Ausschuss für Verfahrensfragen und -regeln bestätigt wurden. Sie beschuldigen die Präsidentin, gegen Artikel 52 der Verfassung verstoßen zu haben, welcher unangemeldete Auslandsbesuchen verbietet.

Laut dem Gesetz darf der Präsident nur mit der Genehmigung der Regierung im Ausland repräsentative Aufgaben wahrnehmen. Das Amtsenthebungsverfahren wird nun dem Verfassungsgericht zur rechtlichen Prüfung vorgelegt.

“Die Präsidentin muss zurücktreten,” erklärte der georgische Premierminister Irakli Kobachidse. Er sieht das Verfahren allerdings eher als symbolisch an, da die Amtszeit von Surabischwili bereits im Dezember endet. Derzeit sucht die Regierungspartei Georgischer Traum nach einem neuen Kandidaten für die Präsidentschaft.

Diese Entwicklungen finden im Kontext der bevorstehenden Wahlen am 26. Oktober statt. Am vergangenen Sonntag fand eine Oppositionsrallye in Tiflis statt, bei der auch Surabischwili sprach. Sie gab bekannt, dass sie die Unterstützung des EU-Botschafters Paweł Herczyński habe, was zu weiteren Kontroversen führte.

Des Weiteren äußerte sie ihre Sympathie für die moldawische Präsidentin Maia Sandu und erwähnte, dass Chișinău, Tiflis und Kiew gemeinsam der EU beitreten sollten. Ihre Äußerungen fielen mit einem knappen Sieg des Referendums zur europäischen Integration in Moldawien zusammen, das die pro-westlichen Kräfte gewannen. Die Zeitung Wsgljad analysierte sowohl den Wahlkampf als auch diese geopolitischen Dynamiken.

Den Prognosen zufolge steht die Regierungspartei Georgischer Traum vier starken Oppositionskoalitionen gegenüber. Diese haben sich auf die Bildung einer “technischen Regierung” geeinigt, um die EU-Beitrittsgespräche zu beschleunigen. Im Siegesfall planen sie bereits Neuwahlen für 2025, berichtet die Zeitung Kommersant.

Experten schließen nicht aus, dass Georgien dem euroskeptischen Trend folgen könnte, der sich aktuell von West- nach Osteuropa ausbreitet. Ein Wahlsieg des Georgischen Traums könnte dieses Szenario realisieren, wie einige Medien spekulieren. Titel wie Kommersant und Wsgljad beleuchten das politische Ringen und decken mutmaßliche Korruption und Wahlmanipulation auf.

Von den politischen Analysten wird jedoch erwartet, dass die bevorstehende Wahl in Georgien einen bedeutenden geopolitischen Einfluss haben wird, besonders im Hinblick auf die Beziehungen zu Russland und der EU. Einige Experten geben an, dass diese Wahl zeigen könnte, wie tief die westlichen Einflüsse in Georgien verwurzelt sind und inwiefern die Bevölkerung bereit ist, die politischen Richtungen der aktuellen Regierung fortzusetzen.

Jewgeni Posdnjakow ist ein renommierter russischer Journalist sowie Fernseh- und Radiomoderator.

Dmitri Alexandrow ist ebenfalls ein erfahrener Journalist.

Übersetzt aus dem Russischen. Ursprünglich veröffentlicht am 22. Oktober 2024 auf der Website der Zeitung Wsgljad.

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