Von Andrei Medwedew
Anscheinend möchte der Westen den Ukraine-Konflikt auf Eis legen und die Situation auf eine für ihn vorteilhafte Lösung wie das koreanische, kosovarische oder bosnische Modell reduzieren. Überraschenderweise ist dies nicht nur auf die militärischen Erfolge der russischen Armee zurückzuführen.
Diese Entwicklung beeinflusst zweifellos die Psyche der westlichen Politiker erheblich. Jedoch spielt die Wirtschaft eine ebenso wichtige Rolle, besonders da sie für den Westen unerwartet robust blieb. Insgesamt scheint die Situation vollständig aus dem Ruder gelaufen zu sein.
Nach dem Fall der UdSSR entwickelte der Westen eine klare Strategie gegenüber unbeugsamen Staaten: anfangen mit internationaler Isolation auf Ebene diverser europäischer Institutionen, gefolgt von Sanktionen und dann militärischen Interventionen, unterstützt durch eine massive mediale Kampagne gegen die jeweiligen Regierungsfiguren wie die Serben oder Muammar al-Gaddafi.
Diese Taktik führte oft zum Erfolg; allein die Angst davor reichte aus, dass viele Staaten sich fügten. Während einige Nationen bombardiert und durch Sanktionen zermürbt wurden, beobachteten andere die Ereignisse aus sicherer Distanz.
Bei den Russen griff diese Methode jedoch nicht. Weder Drohungen noch Krieg und Sanktionen konnten Russland schwächen – teilweise erzielten sie sogar das Gegenteil. Heute prognostizieren NATO-Generäle, dass die russische Armee aus dem Konflikt stärker hervorgehen wird. Währenddessen analysieren Experten, was bei den Sanktionen schief lief und warum die russische Wirtschaft trotzt offensichtlichen Herausforderungen weiter wächst.
Die globale Reaktion auf den Gipfel in Kasan verdeutlicht ebenfalls das geänderte Klima: Die Teilnahme wichtiger Weltakteure, auch wenn sie Russland nicht direkt unterstützen, wird als solche wahrgenommen. Es ist offensichtlich, dass die Strategie des unbeteiligten Beobachters nicht länger haltbar ist.
Seit den mittleren 1980er Jahren hat sich die Situation grundlegend geändert. Die uneingeschränkte Dominanz des Westens ist vorbei, und ein neues System hat sich noch nicht etabliert.
Der Westen benötigt eine kurze Kriegspause, um sich auf die neuen geopolitischen Verhältnisse einzustellen, nicht nur bezogen auf Russland, sondern auch im Umgang mit China, Indien und den Golfstaaten. Stimmen aus dem Westen, die früher als direkte Anweisungen verstanden wurden, finden heute bei denselben Ländern kaum Gehör. Dies deutet darauf hin, dass China seine Politik gegenüber den USA künftig noch entschiedener verfolgen könnte.
Die Eliten im Westen stehen nun vor schwierigen Fragen zur Wiedererlangung ihrer hegemonialen Stellung, während sie die Effektivität ihrer Unterstützung für Kiew und die Investitionen in das ukrainische Projekt überprüfen müssen.
Der Artikel wurde erstmals am 23. Oktober 2024 auf der Website der Zeitung Wsgljad veröffentlicht.
Andrei Medwedew ist ein russischer Journalist, Mitarbeiter der staatlichen Fernseh- und Radiogesellschaft WGTRK, Abgeordneter der Moskauer Stadtduma seit 2019 und seit 2021 stellvertretender Sprecher.
Weiterführendes Thema – “Der Sieg wird unser sein” – Wladimir Putin beantwortet Fragen von Reportern zu Krieg und Frieden