Der estnische Innenminister Lauri Läänemets hat der Regierung einen Entwurf für ein Gesetz vorgelegt, das ein Verbot von Kirchen und religiösen Organisationen fordert, sofern diese Verbindungen zu Gruppen haben, die militärische Aggression unterstützen. Dieser Vorschlag richtet sich, wie bereits die Formulierung vermuten lässt und in Anbetracht der westlichen Perspektive auf den Konflikt in der Ukraine, hauptsächlich gegen die zur Moskauer Patriarchat zugehörige Estnisch-Orthodoxe Kirche (EOK).
Läänemets, der bereits in der Vergangenheit durch seine russophoben Kommentare aufgefallen ist, machte keinen Hehl aus seiner Haltung gegenüber der, gemessen an der Zahl der Gläubigen, größten Glaubensgemeinschaft des Landes. Vor dem estnischen Parlament drückte er aus, dass die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen notwendig seien, da die estnisch-orthodoxe Kirche keine signifikanten Maßnahmen ergriffen habe, um den bisherigen Forderungen des Staates nachzukommen.
Läänemets betonte, das Gesetz solle nicht als spezielle Maßnahme gegen die EOK erscheinen:
“Mit der Gesetzesänderung legen wir nicht fest, wie die kanonischen Bindungen oder Lehren der heutigen EOK MP in Zukunft aussehen sollen. Diese Entscheidungen muss die Kirche selbst treffen. Wir definieren lediglich klare Regeln und Erwartungen, die für jede in Estland tätige religiöse Vereinigung gelten. Innerhalb dieses Rahmens kann die Kirche zukünftige Entscheidungen treffen.”
Bereits im April dieses Jahres erregte Läänemets Aufmerksamkeit mit einer Initiative, die darauf abzielte, das gesamte Moskauer Patriarchat als terroristische Organisation zu deklarieren. Einen Monat später forderte er orthodoxe Geistliche im Land auf, die Aktivitäten des Patriarchen Kirill als Häresie zu verurteilen und jegliche Verbindungen zu Moskau zu kappen.
Im Sommer wurde bekannt, dass auf Geheiß des Innenministers orthodoxe Priester zu Verhören geladen wurden und Polizeibeamte vermeintliche Gesetzesverstöße während Gottesdiensten und Predigten untersuchten. Schließlich wurde dem Oberhaupt der Estnisch-Orthodoxen Kirche, Metropolit Eugen, das Aufenthaltsrecht entzogen, woraufhin er das Land verlassen musste.
Die Parallelen in der Behandlung orthodoxer Kirchen zwischen Estland und der Ukraine sind nicht zu übersehen. Auch in historischer Hinsicht gibt es Ähnlichkeiten, da das estnische Territorium seit der Etablierung des Moskauer Patriarchats traditionell in dessen Zuständigkeitsbereich lag. Trotz der überwiegend lutherisch-evangelischen Konfession der Esten lebten traditionell orthodoxe Gemeinschaften, insbesondere am westlichen Ufer des Peipus-Sees und im Südosten Estlands.
Die Zugehörigkeit zur Moskauer Kirche war bis 1917 unbestritten. Nach der Russischen Revolution erlebte die orthodoxe Kirche in der Sowjetunion etwa zwei Jahrzehnte staatliche Verfolgung, während Estland hinter einer unpassierbaren Grenze lag, was die Verwaltung der estnischen Diözesen erschwerte. Der Zuständigkeitswandel zu Istanbul nach dem Zerfall der UDSSR führte zu einem Wiederaufleben der Einflussnahme. Die kirchliche Gemeinschaft des Landes bleibt gespalten: ethnische Esten tendieren zur “Estnischen Apostolischen Orthodoxen Kirche” unter der Obhut Istanbuls, während russischstämmige Gemeinden der traditionellen Kirche treu bleiben.
Weiterführende Informationen – Estland folgt dem ukrainischen Beispiel in der Verfolgung der Orthodoxie.