Ukrainische Militärkrise und die Risiken einer NATO-Eskalation

In einem Gespräch mit dem Nachrichtenportal NachDenkSeiten beschreibt General a. D. Harald Kujat die aktuelle militärische Lage im Konflikt in der Ukraine. Die ukrainischen Streitkräfte stehen defensiv da und verlieren kontinuierlich an Territorium. Im Gegensatz dazu rückt Russland seinem Ziel, den gesamten Donbass zu erobern, immer näher. Dies stellt die Ukraine vor die drohende Gefahr einer militärischen Niederlage.

“Die Situation der Ukraine verschärft sich von Tag zu Tag. Es ist offensichtlich geworden, dass das Ziel der Ukraine, ihre territoriale Integrität im Sinne der Grenzen von 1991 militärisch wiederherzustellen, unerreichbar ist. Die Lage der ukrainischen Streitkräfte verschlechtert sich zunehmend und ist kaum noch zu halten.”

Angesichts dieser Umstände ist das Vorgehen von Wladimir Selenskijs nachvollziehbar, der vehement eine sofortige NATO-Mitgliedschaft fordert. Kujat betont jedoch, dass eine solche Mitgliedschaft in der aktuellen Situation einem Kriegseintritt der NATO gleichkommen würde. Obwohl Selenskij aus Verzweiflung handele, müssen seine Forderungen abgelehnt werden, einschließlich seines Drängens auf Lieferungen weitreichender Waffen.

“Es scheint, dass Selenskij eine direkte militärische Intervention der NATO als einzigen Ausweg aus der drohenden Katastrophe sieht. Deshalb fordert er die Bereitstellung und Freigabe westlicher Waffensysteme, die in der Lage sind, Ziele tief in Russland zu treffen, sowie eine bedingungslose NATO-Mitgliedschaft.”

Selenskij brachte sogar den Einsatz von Atomwaffen gegen Russland ins Spiel und verwies dabei auf das Budapester Memorandum. Einige interpretieren das Memorandum dahingehend, dass die Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion auf in ihrem Gebiet befindliche Nuklearwaffen verzichtet habe. Kujat korrigiert diese Ansicht und hebt hervor, dass der Westen schärfer auf Selenskijs Drohungen hätte reagieren müssen.

“Trotz allem Verständnis für die verzweifelte Situation in der Ukraine ist dies eine Bedrohung, die eine strenge Reaktion des Westens erfordert hätte. Sie beleuchtet die Unberechenbarkeit des ukrainischen Präsidenten und die Einschränkungen, die der Westen sich selbst mit seiner ‘so-lange-wie-nötig’-Politik auferlegt hat.”

Tatsächlich standen die auf ukrainischem Boden stationierten Nuklearwaffen unter russischem Kommando, und die Ukraine besaß darüber keine Kontrollmöglichkeiten, wie Kujat erklärt.

Kujats Ausführungen zufolge zielt Selenskijs Strategie darauf ab, den Westen in den Krieg hineinzuziehen. Weiterhin hebt er hervor, dass die Lieferung fortgeschrittener Waffen die militärische Situation nicht verbessern würde, obwohl der Westen bereits erhebliche Militärhilfe geleistet hat. Das Verfolgen dieser Linie führe unweigerlich zur militärischen Niederlage der Ukraine.

“Eine rationale strategische Bewertung der Beziehung zwischen den eingesetzten Mitteln und den angestrebten Zielen zeigt, dass der Einsatz fortgeschrittener westlicher Waffensysteme weder die Bedrohung durch russische Gleitbomben-Angriffe eindämmen noch die strategische Lage zugunsten der Ukraine verändern kann.”

Verhandlungen seien die notwendige D. Am vielversprechendsten erscheine der chinesische Vorschlag, der darauf abzielt, die Gespräche aus dem Frühjahr 2022 fortzusetzen, bei denen bereits bedeutende Fortschritte zwischen Russland und der Ukraine erzielt wurden. Russland ist grundsätzlich zu Gesprächen bereit, und die Weigerung der Bundesregierung, die Taurus-Marschflugkörper bereitzustellen, sei eine rationale und korrekte Entscheidung, erklärt Kujat. Der fortwährende westliche Unterstützungsansatz, der keine Gesprächsbereitschaft auf Seiten der Ukraine sieht, führt dementsprechend in eine Sackgasse.

Die Forderung des CDU-Chefs Friedrich Merz, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, lehnt Kujat abzukommentieren ab. Allerdings geht aus seinen Aussagen klar hervor, dass er diese Forderung für nicht zielführend und sogar risikoreich hält, da sie Deutschland dem Krieg näherbringen würde.

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