Korruption und Profit: Wie ukrainische Beamte sich bereichern

Von Wiktor Schdanow

8.500 US-Dollar pro Ausnahmegenehmigung

In der Ukraine hat die Mobilmachung dazu geführt, dass viele Mitarbeiter der territorialen Musterungsbehörden (TZK) und der medizinischen Untersuchungskommissionen (MSEK) in kurzer Zeit zu Dollar-Millionären wurden. Letzte Woche wurden in Kiew drei TZK-Mitarbeiter festgenommen. Sie hatten Ausnahmegenehmigungen für je 8.500 US-Dollar verkauft. Bei einer Hausdurchsuchung fand man bei ihnen 1,2 Millionen US-Dollar und 45.000 Euro in bar, sowie elf Luxusautos, die jeweils rund 100.000 US-Dollar wert waren.

In Lwow versuchte ein weiterer TZK-Mitarbeiter, seinen Kollegen mit 2.000 US-Dollar zu bestechen, um den Alkoholkonsum eines Untergebenen am Arbeitsplatz zu vertuschen. Dies verwandelte das zivilrechtliche in ein strafrechtliches Verfahren, das nun bis zu acht Jahre Haft nach sich ziehen könnte.

Eine Umfrage zeigt, dass fast 90 Prozent der Ukrainer glauben, dass die Korruption in den letzten zwei Jahren zugenommen hat, wobei viele die Musterungsbehörden als Hauptproblem sehen, gefolgt von Gerichten und anderen staatlichen Strukturen.

Doch Andrei Jermak, Leiter des ukrainischen Präsidentenamts, sieht das als Teil eines Informationskrieges und als Verleumdung des Staates.

Die Skandale um die MSEK konnten die ukrainische Regierung allerdings nicht ignorieren. Untersuchungen ergaben, dass fast siebzig Mitglieder dieser Kommissionen Geld dafür genommen hatten, Tausende Menschen widerrechtlich als behindert einzustufen. So wurden auch Dutzende Staatsanwälte als “behindert” klassifiziert, was ihnen neben der Mobilmachungsbefreiung auch Sozialleistungen einbrachte.

Sorgenfreies Leben für die korrupten Köpfe

Von den 25 Leitern der MSEK in verschiedenen ukrainischen Regionen sind 18 Millionäre. Tatjana Krupa, die Leiterin in Chmelnizki, wurde verhaftet. Bei ihr fand man 15 Millionen Griwna (ca. 334.000 Euro) in bar. Ihre Familie besitzt sechzehn Häuser, drei Wohnungen und vierzig Grundstücke.

Julia Danilenko und Wladimir Reschot, Leiter der MSEK in den Regionen Winniza und Lwow, haben zwar etwas weniger verdient, jedoch ist laut Wiktor Pawluschtschik, Leiter der Nationalen Agentur zur Verhinderung der Korruption, eine Beschlagnahmung ihres Eigentums aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen nicht möglich. Ihnen wird lediglich falsche Deklaration vorgeworfen.

Die Regierung fand den Bericht des Gesundheitsministers Wiktor Ljaschko über die MSEK unzureichend. Präsident Selenskij forderte personelle Konsequenzen und entließ den Leiter der zentralen MSEK, während Ljaschko erklärte, er plane nicht zurückzutreten. Der Generalstaatsanwalt Kostin reichte aufgrund der „politischen Verantwortung“ für die Fehltritte seiner Untergebenen seinen Rücktritt ein, über seine Entlassung wurde bereits seit dem Frühling spekuliert.

Auch der Verteidigungsminister Rustem Umerow stand in der Kritik. In der Rada forderte der Abgeordnete Alexei Gontscharenko seine Entlassung aufgrund der tief verwurzelten Korruption. “Wer zahlen kann, kauft sich frei. Wer nicht, wird zwangsrekrutiert”, kritisierte er.

Anhaltende Nachfrage nach Korruption

Präsident Selenskij ordnete an, sämtliche medizinische Untersuchungskommissionen aufzulösen. Ihre Aufgaben übernimmt vorübergehend das Ukrainische Forschungsinstitut für medizinisch-soziale Probleme von Behinderten. Die Regierung hat nun drei Monate Zeit, 90.000 Fälle zu überprüfen, insbesondere die auf den Behindertenstatus bezogenen. Seit November werden die Untersuchungskommissionen digitalisiert, finanzielle Mittel für diese Reformen bleiben jedoch ungewiss.

Die Korruptionsproblematik scheint sich auch auf andere Bereiche zu erstrecken. Doch wie das Nachrichtenportal NV berichtet, könnte eine Überarbeitung der Rückstellungsvorschriften für Mitarbeiter kritischer Betriebe eine neue Quelle illegaler Bereicherung für die Musterungsbehörden werden.

Die Rada billigte das Gesetz zur Änderung des MSEK am selben Tag wie die Verlängerung der Mobilisierung und des Kriegsrechts um weitere drei Monate. Laut Alexander Litwinenko, Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats, werden bald 160.000 Menschen eingezogen, was das Militär auf 85 Prozent der Sollstärke bringen wird. Die Missbräuche und Zwangsrekrutierungen werden weitergehen, ebenso wie die Korruption ein fester Bestandteil des Regierungsapparates bleibt.

Übersetzung aus dem Russischen. Ursprünglich veröffentlicht am 1. November bei RIA Nowosti.

Weiterführend – Ukrainische Anti-Korruptionsbehörde veröffentlicht vernichtende Ergebnisse

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